Fast & Furious: Hobbs & Shaw (2019)

Der Arschtreter und das Luxusproblem

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

 Dies dürfte der erste Film sein, in dem Dwayne Johnson Nietzsche zitiert. Damit wäre das Interessanteste über „Fast & Furious: Hobbs & Shaw“ auch schon gesagt. Das Werk von David Leitch (Atomic Blonde) ist ein Spin-off zur „Fast & Furious“-Reihe, in dessen Zentrum zwei Figuren stehen, die seit dem fünften beziehungsweise sechsten Teil zum erzählerischen Universum der bisher achtteiligen Action-Saga gehören: der DSS-Agent Luke Hobbs (Dwayne Johnson) und der Ex-Elitesoldat Deckard Shaw (Jason Statham). In Fast & Furious 8 (2017) wurden die beiden harten Kerle zu frenemies; nun müssen sie mal eben gemeinsam die Welt retten. 

In der Eröffnungssequenz sehen wir, wie eine MI6-Agentin (Vanessa Kirby) bei einem Einsatz in London eine Substanz in Sicherheit zu bringen versucht, dabei jedoch von einem Mann (Idris Elba) unterbrochen wird, der sie an diesem Vorhaben hindern will. Kurzerhand injiziert sie sich den Stoff selbst und flieht. Wie sich bald herausstellt, handelt es sich bei dem Mann um den genetisch veränderten Supersoldaten Brixton und bei der Substanz um ein tödliches Virus, das eine Gefahr für den gesamten Planeten bedeutet. Die Agentin, die nach ihrer Flucht fälschlicherweise als Verräterin und Mörderin gilt, ist wiederum Deckards jüngere Schwester Hattie. Deckard und Luke werden damit beauftragt, Hattie aufzuspüren – und schon bald befinden sie sich im Kampf mit Brixton, der mit dem Virus alle „Schwachen“ zum vermeintlichen Wohle der Menschheit auslöschen will.

Seinen visuellen Höhepunkt erreicht Fast & Furious: Hobbs & Shaw bereits relativ zu Beginn, wenn die beiden Protagonisten eingeführt werden. Via Split Screen werden uns Deckard und Luke in deren Alltag vorgestellt: Deckard bewegt sich in feinem Zwirn durch ein verregnetes London in kaltem Blau, Luke marschiert leger durch ein sonniges Los Angeles in warmen Farben. Wenig später stellt sich Luke einer Ganoventruppe als „Arschtreter“ vor, während sich Deckard in einer noblen Gangsterhöhle als „Luxusproblem“ bezeichnet. Schließlich treffen die beiden aufeinander – und eine Kaskade von gegenseitigen Beschimpfungen setzt ein. Bis zu diesem Punkt macht der Film tatsächlich Spaß. Die weitere Inszenierung der Kampfszenen und Verfolgungsjagden, in die sich oft unschöne CGI-Effekte mischen, ist dann aber doch allenfalls Durchschnitt; von den zahlreichen Schauplätzen wird lediglich Samoa im großen Finale für einige eindrückliche Bilder genutzt. Das Drehbuch von Chris Morgan und Drew Pearce will derweil unter anderem von der Manipulation der Medien, von fragwürdigen Ideen einer „besseren“ Menschheit, von Familie und vom Konflikt zwischen Herz und Maschine erzählen. Hängen bleibt davon allerdings ziemlich wenig.

Auch was die darstellerischen Leistungen betrifft, ist Fast & Furious: Hobbs & Shaw nicht unbedingt ganz vorne mit dabei. Dwayne Johnson und Jason Statham laufen immer dann zur Hochform auf, wenn sie sich wüste Wortgefechte liefern können – größtenteils miteinander, gelegentlich aber auch mit Überraschungsgästen. Ansonsten wirken ihre Grimassen und pathetischen Gesichtsausdrücke eher albern. Das Spiel von Vanessa Kirby als Hattie fällt allzu affektiert aus; noch unnatürlicher mutet die Darbietung von Eiza González als russische Diebin Madame M an. Idris Elba ließ sich bereits in Star Trek: Beyond (2016) in einer reizlosen Schurkenrolle verheizen – und auch hier spult er den Part des eindimensional gezeichneten Antagonisten ohne erkennbare Lust ab. Für gutes Schauspiel bleiben deshalb nur die Kleinstrollen. Eddie Marsan verleiht dem untergetauchten Professor, der das fatale Virus entwickelt hat, einen Hauch von Tiefe – und Helen Mirren, die schon in Fast & Furious 8 als Deckards Mutter zu sehen war, hat sichtlich Spaß, die Gefängnis-Queen zu geben. Selten kam eine Person in einem Knast-Overall so stilvoll daher, mit farblich abgestimmtem Lippenstift und Nagellack: fabelhaft!

Vermutlich wäre Fast & Furious: Hobbs & Shaw insgesamt ein größeres Vergnügen geworden, wenn man sich auf die Kabbeleien der Titelhelden sowie auf die kantigen Nebenfiguren konzentriert und dieses Personal durch einen knackigen 90-Minüter mit stringentem Genre-Plot gejagt hätte, statt gleich hochdramatisch und doch irgendwie ohne die nötige Spannung die Sicherheit der Welt in Gefahr zu bringen und das Ganze zu einem mehr als zweistündigen Spektakel aufzublasen, in welchem sich das meiste im Endeffekt als heiße Luft entpuppt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/fast-furious-hobbs-shaw-2019