After Passion (2019)

Schön hier!

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Fan Fiction ist ein interessantes Phänomen, da es passive Kultur-Konsument_innen zu aktiven Produzent_innen macht. Neben Geschichten, in denen Figuren aus bekannten Romanen, Filmen oder Serien als Ausgangsmaterial für eigene Erzählungen dienen, gibt es Formen der Fan Fiction, in denen reale Persönlichkeiten aus dem Kino-, dem Fernseh- oder dem Musikbusiness als Personal verwendet werden. Zu dieser Sorte zählt auch die Fan Fiction, die Anna Todd auf der Plattform Wattpad veröffentlichte. Vorbild ihres Protagonisten war Harry Styles, Mitglied der britisch-irischen Boygroup One Direction. Aus Todds Texten wurde schließlich ein Roman; inzwischen besteht die After-Reihe aus sieben Teilen – und nun kommt mit „After Passion“ die erste Leinwandadaption.

Allein auf Basis des Trailers wurde die Verfilmung im Vorfeld häufig mit der Twilight-Saga sowie der Shades-of-Grey-Trilogie verglichen. Die positive Nachricht ist: After Passion ist weder so ideologisch aufgeladen wie die Vampir-Romanze noch so unreflektiert wie die Pseudo-BDSM-Story. Der Umgang mit erwachender Sexualität fällt zwar auch hier sehr aseptisch aus, ist aber immerhin keine totale Katastrophe. Um einen guten Film handelt es sich deshalb allerdings noch lange nicht.

In den ersten Minuten – nach einem kurzen, mit Kitschbildern unterlegten Vorgriff – versprüht das Werk beinahe so etwas wie Authentizität. Darin packt die Highschool-Absolventin Tessa Young (Josephine Langford) ihre letzten Sachen zusammen, um sich anschließend von ihrer alleinerziehenden Mom Carol (Selma Blair) und ihrem langjährigen, ein Jahr jüngeren festen Freund Noah (Dylan Arnold) an die Uni bringen zu lassen. Das Haus in der Vorstadt, die enge Beziehung zwischen Mutter und Tochter – all das wirkt durchaus glaubwürdig. Mit der Ankunft an der (fiktiven) University of Atlanta verwandelt sich After Passion jedoch in einen Film, dem man nichts mehr so wirklich glauben mag.

Tessas Mitbewohnerin Steph (Khadijha Red Thunder) bietet sich an, die unschuldig-pflichtbewusste Protagonistin „spirituell zu leiten“ und stellt sie ihrer Clique vor. Deren Mitglieder sehen irgendwie alle so aus, als würden sie entweder in einer Rollschuhdisco jobben oder als wären sie die ausgemusterten Kandidaten eines Boygroup-Castings. Obwohl wir es hier mit Studierenden zu tun haben sollen, verhalten sich alle eher wie 14-Jährige, die zu früh Marihuana, Alkohol, Make-up und Haarfärbemittel für sich entdeckt haben. Den ersten dramatischen Höhepunkt bildet daher konsequenterweise eine Runde Wahrheit oder Pflicht. Dabei weist Tessa den coolen Hardin Scott (Hero Fiennes Tiffin) zurück – was natürlich der Beginn einer Gegensätze-ziehen-sich-an-Liebesgeschichte ist.

Hardin ist Brite, trägt eine Lederjacke und Ramones-T-Shirts, hat etliche Tattoos und vermag sich hübsch in Zeitlupe durch Räume zu bewegen. Außerdem kann er Passagen aus Sturmhöhe von Emily Brontë rezitieren (und ja, es sind genau die erwartbaren, die eine Romantik vermuten lassen, von der Brontë in ihrem Buch überhaupt nicht erzählt). Angeblich hat Hardin „hunderte Romane gelesen“ und auch Tessa soll eine Leseratte sein. Wenn die beiden im Laufe des Plots miteinander kommunizieren, legt ihnen das Skript von Susan McMartin und Tamara Chestna indes nicht unbedingt Worte in den Mund, die sie allzu belesen erscheinen lassen (Er: „Ich bin total verwirrt“ – Sie: „Ich glaube, wir sind beide total verwirrt.“). Allerdings befinden wir uns da auch schon mitten in einem Film, in dem universitäre Englischseminare daraus bestehen, dass eine Diskussion über Jane Austens Stolz und Vorurteil mit dem Satz „Elizabeth Bennet sollte mal chillen“ beginnen, und in dem alles auf die Enthüllung eines Geheimnisses zuläuft, das eine gehobene Seifenoper nicht mal als Cliffhanger des Tages in Betracht ziehen würde. Die Konflikte sind in After Passion oft ebenso wenig plausibel wie die raschen Versöhnungen. Etwas Klarheit verschafft wiederum die Tatsache, dass es in Krisen meistens regnet und in harmonischen Momenten alles zauberschön aussieht. Es macht sich durchaus bemerkbar, dass Jenny Gage – die Regisseurin von After Passion – eine erfahrene Kunstfotografin ist. Der Look des Films ist gefällig, erinnert gleichwohl mehr an Instagram als an das Leben.

Auch die Figurenzeichnung ist nicht so richtig überzeugend. Warum muss Tessa ein Tollpatsch sein, der sich innerhalb von zwei Sekunden an Scherben schneidet, die sie aufsammeln will? Warum muss Hardin bipolare Züge tragen, die notdürftig mit einer backstory wound erklärt werden? Wohl nur deshalb, weil unbeholfene Frauen sowie Männer ohne Selbstkontrolle schon in unzähligen anderen Geschichten romantisiert wurden. Besser macht es das gewiss nicht. Eine Nebenfigur ist hingegen tatsächlich sympathisch: Landon Gibson (Shane Paul McGhie) – der baldige Stiefbruder von Hardin – wird zu einem Freund von Tessa; und die Art und Weise, wie hier eine gemischtgeschlechtliche Freundschaft gezeigt wird, ist angenehm. Außerdem kann After Passion auf eine solide Besetzung der Erwachsenenrollen zurückgreifen. Selma Blair wird in ihrem Part als Mutter ein ziemlich fragwürdiges Verhalten vom Drehbuch auferlegt; sie macht jedoch das Beste daraus. Die Eiskalte-Engel-Darstellerin erinnert dabei – ebenso wie ihre unterbeschäftigten Co-Stars Peter Gallagher (O.C., California) und Jennifer Beals (Flashdance) – durch ihre bloße Anwesenheit daran, dass es Zeiten gab, in denen schon mal deutlich origineller und aufregender vom Erwachsenwerden erzählt wurde.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/after-passion-2019