Der König der Löwen (2019)

Zum Anführer bestimmt

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Dass man sich an einem kultisch verehrten Trickfilm nicht verheben muss, bewies Jon Favreau im Jahr 2016 mit seiner opulenten Neuauflage von Wolfgang Reithermans Klassiker Das Dschungelbuch. Da das Remake weltweit zu einem veritablen Kassenerfolg avancierte, muss es nicht verwundern, dass der Iron Man-Regisseur von den Disney-Verantwortlichen rasch mit einer weiteren Frischzellenkur betraut wurde. Dieses Mal trifft es das nicht minder beliebte Familienabenteuer "Der König der Löwen", das im Jahr 1994 unzählige Kinobesucher in seinen Bann zog. Die nahezu komplett am Computer entstandene Neuverfilmung legt die Messlatte in puncto Optik noch einmal ein Stück höher, reichert die bekannte Geschichte aber leider nicht mit überraschenden Facetten an.

Ganz am Anfang steht – wie im Original – die feierliche Präsentation des frisch geborenen Sohnes von Löwenkönig Mufasa (Stimme in der englischen Sprachfassung: James Earl Jones) und seiner Gattin Sarabi (Alfre Woodard). Freudig begrüßen die zum Herrscherfelsen herbeigeeilten Tiere der afrikanischen Savanne den kleinen Simba (JD McCrary), den sein Vater fortan behutsam auf seine spätere Rolle als Anführer vorbereitet. Die Begeisterung des quirligen und neugierigen Junglöwen schlägt allerdings ins Gegenteil um, als sein hinterhältiger, auf den Thron schielender Onkel Scar (Chiwetel Ejiofor) Mufasa durch eine List tötet und Simba glauben lässt, er trage dafür die Verantwortung. Schwer erschüttert verlässt der kleine Prinz seine Heimat und findet in Timon (Billy Eichner) und Pumbaa (Seth Rogen), einem Erdmännchen und einem Warzenschwein, unverhofft zwei neue Freunde, die ihn aufmuntern und bei denen er sich zu einer stattlichen Großkatze (nun gesprochen von Donald Glover) entwickelt.

Wie man erwachsen wird und lernt, seiner Bestimmung zu folgen – davon erzählte das mit einprägsamen Liedern gespickte Zeichentrickmusical Der König der Löwen auf größtenteils berührende Weise. Favreau und Drehbuchautor Jeff Nathanson (Pirates of the Caribbean: Salazars Rache) verneigen sich mit ihrer Version tief vor dem Ursprungsfilm und setzen einige der emotionalen Wendepunkte – besonders das grausame Ableben Mufasas – durchaus wirkungsvoll in Szene. Manchmal erscheint das Ineinandergreifen der Handlungselemente aber auch ein bisschen mechanisch. So schlägt Simbas Trauer über den Verlust seines Vaters und sein Schmerz über seine vermeintliche Schuld recht abrupt in Heiterkeit um, als er dem unbeschwert in den Tag hineinlebenden Gespann Timon und Pumbaa begegnet. Ähnlich plötzlich beschwört der Film zu einem späteren Zeitpunkt die Liebe zwischen Simba und Nala (Beyoncé), seiner Freundin aus Kindertagen. Etwas mehr Feinschliff wäre hier sicherlich wünschenswert gewesen.

Auch wenn das Remake gut dreißig Minuten länger ist als das Original, hält sich der kreative Eifer der Macher im Hinblick auf die Ausschmückung der Geschichte in engen Grenzen. Dabei hätte man gewiss an einigen Stellschrauben drehen können. Ausbaufähig ist zum Beispiel die Rolle Nalas, die zwar immer mal wieder in das Geschehen eingreift, letztlich aber keine wirklich hervorstechenden Akzente setzen kann. Mehr Raum bekommen da schon die Sidekicks Timon und Pumbaa, die – in der englischen Fassung toll gesprochen von Eichner und Rogen – für einige der witzigsten Momente überhaupt sorgen. Ins Leere läuft hingegen der Versuch, so etwas wie Situationskomik bei den verschlagenen, mit Scar verbündeten Hyänen zu etablieren.

Während auf inhaltlicher Ebene das große Staunen ausbleibt, liefert Favreaus Der König der Löwen in technischer Hinsicht auf ganzer Linie ab. Wohl noch nie waren eine aus dem Rechner kommende Natur und Tierwelt im Kino derart realistisch wie hier, weshalb einige der bedrohlichen Szenen auch düsterer daherkommen als im Ursprungswerk. Die Savanne erstrahlt in ihrer ganzen Pracht, ist bis in die kleinsten Details ausgestaltet. Und ihre sich geschmeidig fortbewegenden Bewohner sind mit so viel Sorgfalt entworfen, dass man sich an ihnen fast nicht sattsehen kann. Einige schwungvolle Verfolgungsjagden und manche Kameraspielerei untermauern den optisch schlichtweg berauschenden Eindruck. Bei aller Freude über diese Qualitäten schmerzt einen dennoch die etwas zu starke Fixierung auf das Original. Kleine Verschiebungen und ein paar neue Einfälle hätte es schon gebraucht, um das Remake, das die bekannten Songs (unter anderem "Circle of Life" und "Can You Feel the Love Tonight") übrigens in neu eingespielter Form präsentiert, auf eigene Füße zu stellen. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-koenig-der-loewen-2019