Drei Schritte zu Dir (2019)

Nur auf Abstand

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Man könnte das Subgenre der sick teen romance als relativ neuen Kino-Trend bezeichnen, befeuert durch den Erfolg von Das Schicksal ist ein mieser Verräter (2014) und fortgeführt von Werken wie Ich und Earl und das Mädchen (2015), Du neben mir (2017) oder Midnight Sun (2018). Aber natürlich war alles schon mal da – und so litten bereits Ryan O’Neal und Ali MacGraw als junge Menschen in „Love Story“ (1970) darunter, dass eine unheilbare Krankheit ihrem gemeinsamen Happy End im Wege stand.

Geschichten dieser Art muss man durchaus kritisch sehen, da die Krankheit der Figuren zumeist lediglich dazu dient, der Liebe eine tragische Dimension zu verleihen – als sei der Umgang mit einem drohenden frühen Tod nur dann erzählenswert, wenn ein unglückliches Verliebtsein mit hineinspielt; und als ließe sich junge Liebe nur dann spannungsreich schildern, wenn sie mit ganz großem Drama verbunden ist.

Ob ein Film aus diesem Subgenre dennoch mehr als ein kühl kalkulierter Tränenzieher ist, hängt letztlich davon ab, ob er trotz seiner fragwürdigen Prämisse wenigstens in Ansätzen eine ersthafte Auseinandersetzung mit der thematisierten Krankheit erkennen lässt und ob er eine Figurenzeichnung zu bieten hat, die über die gängigen Schablonen hinauszureichen vermag. Justin Baldonis erste Spielfilm-Regiearbeit Drei Schritte zu Dir macht hierbei einiges, wenn auch nicht alles richtig.

Im Zentrum des Plots steht die 17-jährige Stella (Haley Lu Richardson), die aufgrund der unheilbaren Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose viel Zeit im Krankenhaus verbringt und auf eine Spenderlunge wartet, welche ihr zusätzliche Lebensjahre ermöglichen würde. Der ebenfalls betroffene, etwa gleichaltrige Poe (Moises Arias) ist ihr bester Freund. Dann kommt ein neuer Patient im Alter von Stella und Poe auf die Station: Will (Cole Sprouse) ist Teilnehmer einer klinischen Arzneimittelstudie, jedoch weniger optimistisch und engagiert in Bezug auf den Kampf gegen die Krankheit als Stella. Während es dieser zunächst hauptsächlich darum geht, Will zur Einhaltung aller Behandlungsregeln zu animieren, kommen die beiden sich rasch näher. Physisch sind der Nähe allerdings klare Grenzen gesetzt: Da sie sich gegenseitig mit ihren Bakterien anstecken könnten, müssen Stella und Will stets sechs Fuß (also knapp zwei Meter) Abstand voneinander halten. Die Krankenschwester Barb (Kimberly Hébert Gregory) beobachtet die entstehende Beziehung zwischen den Jugendlichen deshalb mit großer Sorge.

Baldonis Inszenierung setzt insgesamt zwar (allzu sehr) auf ansprechend-schöne Bilder; die hässlichen und unangenehmen Seiten der Krankheit werden indes nicht völlig ausgeblendet. Wie in etlichen Filmen und Serien (etwa Grey’s Anatomy) mutet das Krankenhaus auch in Drei Schritte zu Dir um eine Spur zu beschaulich an; dass Stella, Poe und Will an diesem Ort jedoch, bedingt durch ihre Erkrankung, Dinge erleben, die nichts mit dem Hochglanz der meisten Aufnahmen zu tun haben, wird an einigen Stellen deutlich. Auch gibt das Werk durch Stellas Videotagebuch einen Einblick in die Methoden, mit denen Mukoviszidose behandelt wird.

Die Hauptfiguren sind in ihrer Gegensätzlichkeit gewiss nicht frei von Klischees. Stella ist extrem auf Ordnung und Disziplin bedacht, Will hingegen wird als Rebell in Szene gesetzt. Beide verfügen wiederum über Kreativität: Während sie Apps entwirft, zeichnet er Cartoons. Dass man als Zuschauer_in Interesse an den beiden entwickelt, ist vor allem dem Schauspiel zu verdanken. Cole Sprouse (Riverdale) verleiht seiner Rolle etwas Sympathisches; der entscheidende Gewinn von Drei Schritte zu Dir ist aber zweifelsohne Haley Lu Richardson, die schon im Coming-of-age-Drama Columbus (2017) eine Wucht war. Sie gibt den traurigen Momenten etwas Echtes und lässt uns in den lustigen und romantischen Passagen mit Stella mitlachen oder mitschwärmen. Mehr als einmal verwandelt sie eine ziemlich durchschnittliche Dialogzeile in eine wirklich anrührende Aussage. Auch eine Szene zwischen Stella und deren Mutter Erin (Cynthia Evans) ist mitreißend gespielt, ebenso die freundschaftliche Interaktion zwischen Stella und Poe.

In der Liebesgeschichte zwischen dem zentralen Paar schafft es Baldoni insbesondere in einer Sequenz, Intimität sehr glaubhaft auch in der erforderlichen Distanz zu erzeugen. Im letzten Drittel lässt das Drehbuch von Mikki Daughtry und Tobias Iaconis die Ereignisse dann leider überschlagen; eine solche Zuspitzung hätte der Stoff gar nicht nötig gehabt. So bleibt Drei Schritte zu Dir in erster Linie als eindrückliche Talentprobe von Richardson in Erinnerung.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/drei-schritte-zu-dir-2019