The Promise

Völkermord als Seifenoper

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Immer mal wieder passiert es, dass Filme schon vor ihrem offiziellen Kinostart größere Kontroversen entfachen. So geschehen 2014, als die Macher der Brachialsatire The Interview, in der zwei amerikanische Journalisten den Diktator Kim Jong-un ermorden sollen, martialische Drohungen aus Nordkorea über sich ergehen lassen mussten. Noch dazu wurde die Verleihfirma Sony Pictures Opfer eines groß angelegten Hacker-Angriffs und sah sich plötzlich mit einer Terrorankündigung gegen Kinoketten konfrontiert, die den Film zeigen würden. Nach einer vorübergehenden Streichung des Starttermins folgte mit etwas Verzögerung dann aber doch eine Auswertung in den Lichtspielhäusern.
Für einiges Aufsehen sorgte 2016 auch das Historiendrama The Promise – Die Erinnerung bleibt, das nach seiner Uraufführung beim Filmfest von Toronto auf der Filmdatenbank IMDb binnen kurzer Zeit verdächtig viele Ein-Sterne-Bewertungen erhielt. Unzählige User, die die unabhängig finanzierte Hollywood-Produktion über den Völkermord an den Armeniern noch gar nicht gesehen haben konnten, sprachen in einer offensichtlich gezielten Kampagne der Geschichtsaufarbeitung jegliche Qualitäten ab, was wiederum eine Gegenreaktion, sprich eine Reihe von 10-Sterne-Ratings, nach sich zog. Deutlich wird an diesen politisch motivierten Vorkommnissen, dass das Thema des Films nach wie vor enorme Brisanz besitzt. Beleg dafür ist freilich auch die noch immer vorherrschende Weigerung der türkischen Regierung, den Genozid als solchen anzuerkennen.

Gerade vor dem hier skizzierten Hintergrund wiegt es umso schwerer, dass The Promise seinen guten Absichten nur sporadisch gerecht wird. Herzblut und Aufklärungswillen möchte man den Verantwortlichen gar nicht absprechen, zumal der armenisch-stämmige US-Milliardär Kirk Kerkorian das Unterfangen beinahe in Eigenregie finanzierte. Die Verbindung der historischen Ereignisse mit einer uninspiriert-pathetischen Dreiecksgeschichte erweist sich allerdings als fatale Entscheidung, die den Film immer wieder in den Bereich einer seichten Ausstattungsseifenoper manövriert.

Nach einer arrangierten Verlobung in seinem Heimatdorf im Süden des Osmanischen Reiches zieht es den Apotheker Mikael Boghosian (Oscar Isaac) in die Hauptstadt Konstantinopel, wo er Medizin studieren will. An der Universität findet er in Emre (Marwan Kenzari) einen Freund und lernt im Haus seines Onkels die hübsche Ana (Charlotte Le Bon), eine in Frankreich aufgewachsene Künstlerin mit armenischen Wurzeln, kennen. Obwohl die junge Frau mit dem amerikanischen Fotoreporter Chris Myers (Christian Bale) liiert ist, fühlt sich Mikael zu ihr hingezogen und kommt ihr schließlich näher. Als der Erste Weltkrieg ausbricht und die jungtürkischen Machthaber die systematische Verfolgung und Ermordung der armenischen Bevölkerung in Gang setzen, verlieren sich die frisch Verliebten plötzlich aus den Augen.

Eigentlich möchte man meinen, dass mit Terry George genau der richtige Mann auf dem Regiestuhl saß, um das Leid der Armenier differenziert nachzuzeichnen. Immerhin hatte der Nordire das oscarnominierte Drama Hotel Ruanda inszeniert, das den Genozid an den Tutsi Mitte der 1990er Jahre in erschütternde Bilder gießt. The Promise drängt jedoch die Gräueltaten und die Verfolgung durch seine wenig mitreißenden Liebeswirren mehrfach an den Rand und präsentiert sich viel zu episodenhaft, um ernsthaftes Interesse für das Schicksal der Figuren zu wecken. Nur selten hält das von George und Robin Swicord verfasste Drehbuch inne, hetzt stattdessen die meiste Zeit von einem dramatischen Geschehnis zum nächsten und verzichtet dabei nicht auf exzessive Geigenklänge. Ein Kopfschütteln ruft der erzählerische Galopp besonders dann hervor, wenn sich eine tiefergehende Auseinandersetzung geradezu aufdrängt. Exemplarisch ist in diesem Zusammenhang die Passage, in der der viel zu flüchtig entworfene Myers von den osmanischen Behörden unter fadenscheinigem Spionageverdacht verhört und inhaftiert wird. Momente, die den Zuschauer unweigerlich daran erinnern, wie heutzutage der türkische Staatspräsident Erdoğan mit unliebsamen Pressevertretern verfährt.

Spannende Gedanken und Ansätze wie dieser haben in der fehlgeleiteten Mischung aus Fluchtdrama und romantischem Verwicklungsreigen aber nur eine kurze Halbwertszeit. Sehr bedauerlich, nicht zuletzt angesichts der fraglos talentierten Darsteller, die hier meistens unterfordert sind. Geldgeber Kerkorian, der noch vor Beginn der Dreharbeiten verstarb, hätte auf jeden Fall einen besseren Film verdient gehabt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-promise