Ad Astra - Zu den Sternen (2019)

Per aspera ad astra

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

„Ad Astra“ – Zu den Sternen treibt es die Menschen der nahen Zukunft, in der der gleichnamige Film von James Gray spielt. Dort suchen sie nach dem Sinn des Daseins, nach anderen Lebensformen, nach einem höheren Ziel. Major Roy McBride (Brad Pitt) kennt das zu gut. Sein Vater Clifford (Tommy Lee Jones) verschwand vor 29 Jahren auf einer Mission zum Neptun und ließ den Sohn damals zurück.

Das hat seine Spuren bei Roy hinterlassen, der in die Fußstapfen seines Vaters trat, um Astronaut zu werden. Er ist bekannt, nicht nur wegen seines als Held verehrten Vaters, sondern weil Roy bei jeder Mission und in jeder Lage nicht einmal einen erhöhten Puls bekommt. Kurzum: der Mann funktioniert wie eine Maschine. Allerdings nur im All. Zuhause auf der Erde kommt er nicht klar und hat seine Ehe mit Eve (Liv Tyler) in den Sand gesetzt, weil er sich ihr nicht öffnen konnte. Doch in letzter Zeit zweifelt Roy an seinen Lebensentscheidungen.

Perpetuiert werden seine Zweifel durch seltsame Zwischenfälle. Eigenartige Energiewellen ereilen die Erde und haben verheerende Auswirkungen, die viele Menschen das Leben kosten. Die Quelle dieser Wellen ist, wie Roy geschockt feststellen muss: sein Vater. Dieser scheint noch am Leben auf seinem Raumschiff am Neptun, denn von dort aus kommen die von Antimaterie beförderten tödlichen Wellen, die die ganze Menschheit bedrohen. Roy wird deshalb von der Erde auf den Mond und von dort auf den Mars geschickt, denn dort ist die letzte funktionstüchtige Außenstation der NASA, von der aus Roy seinen Vater anfunken soll, um Kontakt mit dem Verschollenen aufzunehmen. Doch die Mission ist voller Geheimnisse und Roy muss alsbald noch viel bittereren Wahrheiten ins Auge blicken. Und gleichsam die Erde vor der Destruktion bewahren.

Grays Ad Astra ist ein Film, bei dem man häufig das Gefühl hat ihn schon einmal gesehen zu haben. Dies liegt vor allem daran, dass er sich einer Unzahl von Versatzstücken aus anderen Filmen bedient, allen voran Der Marsianer, Aufbruch zum Mond, Gravity und Interstellar. Mit letzterem verbindet nicht nur der stetige Voice-Over, in dem Roy seine eigenen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringt, sondern auch die exzeptionelle Kameraarbeit des Niederländers Hoyte van Hoytema. Ad Astra sieht gut aus und bedient die derzeitig gängigen Sci-Fi-Ästhetiken in Perfektion. Doch so richtig viel mehr passiert auch nicht.

Die getragene Erzählerstimme suggeriert Tiefgang und philosophisches Denken, der Inhalt hält da leider nicht mit. Roy, so stellt sich bald heraus, ist ein Mann, der abgekapselt ist von seinen Gefühlen, weil sein Vater ihn einst verließ. So weit so gut, doch Ad Astra verlässt sich darauf, dass diese Erkenntnis den gesamten psychologischen Antrieb des Filmes ausmachen kann. Das Ergebnis erinnert an Aufbruch zum Mond, der ebenfalls in einer irritierenden und recht einfältigen Vergangenheitsbewältigung im All mündete, die einen eher verwundert zurücklässt. Darauf aufgestülpt bemüht sich er Film aber auch um einige Actionelemente. Schießereien und Verfolgungsjagden im Weltall kommen etwa vor, doch sie lassen sich nur recht schwer genießen, da sie, Schwerelosigkeit sei Dank, entweder stark entschleunigt oder Fehl am Platz wirken. Erschwerend kommt hinzu, dass die eh schon nur dünn psychologisch bestückten Figuren oft völlig eigenartige Handlungen begehen, die nur wenig Sinn machen. Wie etwa die Wissenschaftler, die beim Start einer Rakete den Entschluss fassen, einen Schusswechsel in einem Hochdruckraum gegen den kampferprobten Roy zu initiieren, der ihnen Minuten zuvor noch das Leben gerettet hat.

Roy ist nicht der Einzige, der hier wie ein Roboter agiert. Seinen Figuren eine echte eigene Persönlichkeit zu geben, vermag der Film nicht. Weiters fällt auf, dass es im All scheinbar nur Männer gibt. Nun ist es leider recht üblich, dass der Sci-Fi-Film und damit das kinematographische Weltall oftmals nicht mit Frauen bestückt ist, doch Ad Astra macht es schlimmer, denn die wenigen Nebenrollen sind hervorragend besetzt und werden allesamt vergeudet. Ruth Negga, Liv Tyler und Natasha Lyonne dürfen allesamt nicht mehr als drei Sätze beisteuern und werden als leidende, sich aufopfernde Figuren in den Topf geworfen oder dürfen für einen Moment die Stimmung auflockern, die ansonsten vor allem von gediegenem Selbstmitleid bestimmt wird.

Es bleibt jedoch die durchaus spannende Frage nach dem größeren Sinn – den der Film ja auch sucht und nicht findet – den Filme wie Ad Astra zu suchen scheinen. Wie kommt es, dass in letzter Zeit so viele Männerfiguren ihr Herz und ihre Gefühle auf der Erde nicht finden und im Weltall suchen müssen?

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/ad-astra-zu-den-sternen-2019