The Unthinkable (2018)

Heul doch!

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

Unter dem strahlend blauen Mittsommernachtshimmel feiern glückliche, blonde Schweden, glückliche Feste. Außer Alex (Christoffer Nordenrot) der kann nicht mitfeiern, der leidet nämlich. Alex leidet aus Gründen, die genauso hip sind wie seine Kleidung, er fühlt sich missverstanden. Weil das so ist, tut er, was sein Vater auch immer tut, wenn er sich missverstanden fühlt, er guckt böse und schmeißt Dinge durch die Gegend. Einmal trifft er dabei zufällig das Klavier im Raum und findet so mit einem Schlag den Weg zur Kunst. So in der Art muss auch die Idee für diesen Film entstanden sein.

Gerade jetzt, wo Alex erkannt hat, wie er aus seiner Lebenseinstellung Kapital schlagen kann, wird leider Schweden von einer unbekannten Macht angegriffen. Diese Macht setzt ein neuartiges Nervengift gegen die Bevölkerung ein, das zu einem sofortigen Gedächtnisverlust führt. Zu dem Soundtrack dröhnender Paukenschläge fahren darum jetzt viele gedächtnislose Schweden mit ihren Autos ineinander, stürzen Hubschrauber ab und irgendwo im Hintergrund explodieren Regierungsgebäude. Alex, der missverstandene Pianist, seine naive, großäugige Jugendliebe (Lisa Henni), ihre karrierebesessene Ministermutter (Pia Halvorsen) und sein cholerischer Verschwörungstheoretiker-Vater (Jasper Barkselius) mit dem Herz aus Gold verbringen jetzt den Rest des Films damit, auf der Suche nacheinander aneinander vorbeizurennen. Da ist es nur praktisch, dass der Regen ihnen weniger anzuhaben scheint als der restlichen Bevölkerung. Und dann gibt es auch noch den Militärmann der Jugendliebe (Krister Kern) und deren gemeinsame Tochter (Lo Lexfors), die aber eigentlich nur da sind, damit Alex verletzt sein kann, weil die Frau seiner Träume nicht 13 Jahre regungslos auf seine Rückkehr gewartet hat.

Es stellt sich heraus, dass der Verschwörungstheoretiker-Vater doch immer schon recht hatte: es waren die Russen! The Unthinkable möchte damit wohl eine provokante Geschichte mit aktueller politischer Relevanz schaffen. Unbewusst tut er das auch. In einem fast schon bewundernswerten Akt der Performanz trifft der Film einen Kern der Probleme des Jahres 2018, in dem alle Opfer sein wollen. Das reiche Schweden, das gerade beängstigend nach rechts rückt, steht hier unter Beschuss einer globalisierten Welt. Die macht offenbar so viel Angst, dass der Film sich nicht anders zu helfen weiß, als sie durch ein Nervengift zu inszenieren, das den Kern von Identität angreift – die Erinnerungen, die Basis von Heimat, Tradition und einem Wertekanon. Die Schuld an dieser Zerstörung lässt sich dabei perfekt an den König der Schattenseiten des Internets weiterschieben: Wladimir Putin persönlich.

Was hier zum Ausdruck kommt, ist nicht das satirische Geschick einer hellsichtigen Analyse der aktuellen politischen Lage, sondern die Vermischung aller diffusen Ängste vor dem Verlust von Identität, genährt mit den Verschwörungstheorien, die durch und über das Internet mehr Verbreitung erhalten als jemals zuvor. Das wird gepaart mit der persönlichen Leidensgeschichte eines jungen Mannes, der daran krankt, dass die Welt sein Desinteresse an ihr nicht als Zeichen seiner verwundeten Seele erkennt. Anstatt sich durch offene Kommunikation aus dieser Lage zu befreien, sucht er die Schuld bei allen anderen. Der Film zeigt damit sehr klar, welchen Problemen wir gegenüber stehen, er versteht sie nur leider nicht.

In seiner unfreiwilligen Darstellung der selbstgefälligen Egozentrik der westlichen Industrienationen ist The Unthinkable so akkurat wie unerträglich. Wenn das, was der Film zeichnet, der Kern von Identität ist, dann wünscht man sich ein paar Tropfen des toxischen Alzheimerregens um dem zu entkommen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-unthinkable-2018