The Grudge (2019)

Mach’s noch einmal, Sam!

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

1998 begründete der Japaner Takashi Shimizu mit zwei Kurzfilmen die sogenannte Ju-on-Gruselreihe, die seither diverse Video- und Kinotitel umspannt. Den von ihm geschriebenen und inszenierten Schauerstreifen „Ju-on: The Grudge“ von 2002 durfte der Filmemacher kurz darauf im Zuge der in Hollywood grassierenden Remake-Welle von asiatischen Horrorarbeiten mit US-Darstellern neu auflegen. Der von Genrespezialist Sam Raimi produzierte „Der Fluch – The Grudge“ kam 2004 auf die Leinwände, konnte die Kritiker nicht wirklich überzeugen, spielte aber dennoch eine stattliche Summe ein. Shimizu zeichnete im Anschluss auch für eine Fortsetzung verantwortlich, war ebenso wie Raimi beim dritten US-amerikanischen Beitrag aus dem Jahr 2009 aber nicht mehr mit von der Partie. Letztgenannter wagte sich einige Zeit später allerdings noch einmal an die Geschichte eines durch eine Familientragödie ausgelösten Fluches und betraute den vorher auf dem Independent-Sektor tätigen Regisseur Nicolas Pesce mit einer Frischzellenkur.

Der nun startende The Grudge ist keine Neuauflage des ersten US-Remakes, sondern eine Fortsetzung, deren Handlung sich von 2004 bis 2006 erstreckt und damit teilweise parallel zu den Vorgänger-Arbeiten abläuft. Wir befinden uns auf derselben Zeitebene. Im Mittelpunkt stehen dieses Mal bloß andere Figuren und ein anderer Ort. Zog der Fluch ursprünglich in Tokio seine Kreise, schwappt er in Pesces Film mit der Pflegerin Fiona Landers (Tara Westwood) wieder einmal in die Vereinigten Staaten. Als sie im Jahr 2004 in der japanischen Hauptstadt mit dem todbringenden Unheil in Kontakt kommt, bricht sie Hals über Kopf in ihre Heimat auf und bringt unwissentlich den Geist der ermordeten Kayako (Junko Bailey) mit.

2006 versucht Detective Muldoon (Andrea Riseborough) nach dem Krebs-Tod ihres Gatten, sich mit ihrem Sohn (John J. Hansen) ein neues Leben in einer Kleinstadt in Pennsylvania aufzubauen. Schon bald weckt ein mysteriöser Leichenfund ihr Interesse. Kollege Goodman (Demián Bichir) reagiert mit Entsetzen auf die Nachricht, dass die verunglückte Autofahrerin vor ihrem Unfall das Haus am Reyburn Drive 44 besucht hat. Muldoon hakt nach und wird von ihrem Begleiter mit kryptischen Aussagen abgespeist. 2004 habe sich dort Grausames zugetragen. Die ehrgeizige Polizistin beschließt, tiefer zu graben, sucht nur wenig später die besagte Adresse auf und macht eine schreckliche Entdeckung. Während Faith Matheson (Lin Shaye) wirres Zeug redet und sich selbst verstümmelt hat, sitzt im Sessel ihr toter, stark verwester Ehemann William (Frankie Faison). Nach diesem Fund intensiviert Muldoon ihre Nachforschungen und bemerkt auf einmal merkwürdige Präsenzen in ihrer Nähe.

The Grudge entfaltet sich nicht in chronologischer Reihenfolge, springt vielmehr regelmäßig in der Zeit zurück und greift damit die Erzählstruktur des japanischen Originals und der beiden ersten US-Werke auf. Dem Publikum scheinen die Macher allerdings weniger zuzutrauen. Warum sonst werden die Übergänge im neuen Film wiederholt überdeutlich durch die Einblendung der Jahreszahlen markiert? Sein Drehbuch teilt Pesce gemäß den Gewohnheiten der Reihe in mehrere Plot-Fäden auf, die nach und nach enthüllen, wie unterschiedliche Menschen und Paare vom Fluch infiziert werden. Das Haus am Reyburn Drive 44 dient als Bindeglied. Und Muldoons Recherchen fungieren als Hauptstrang, von dem aus der Film regelmäßig in die Vergangenheit eintaucht. Auf den ersten Blick mag das Geflecht komplex erscheinen. Wirklich vielschichtig ist der Aufbau aber nicht. Vor allem Kenner der Saga dürften des Öfteren mit den Schultern zucken, da bekannte Muster nur selten variiert werden.

Gute Ansätze zeigen sich in der Figurenzeichnung. Einige Protagonisten erhalten tragische Backstorys, was kleine emotionale Akzente – etwa Williams Sinnieren über den Trost der Geisterwelt – garantiert. Dummerweise versanden jedoch viele Andeutungen und Ideen. Muldoons nicht sonderlich originelle, mit so manchem Klischee behaftete Ermittlung und die immer wieder eingestreuten Gespensterattacken sind den kreativ Verantwortlichen offenkundig wichtiger. Handfestes Grauen bleibt trotz einiger Splatter-Spitzen, diverser schummriger Schauplätze und im Hintergrund vorbeihuschender Schatten leider aus. Zu vorhersehbar sind die Schockeffekte inszeniert. Und zu abgenutzt wirkt das merkwürdige Knurren, das viele der Erscheinungen begleitet.

The Grudge fehlt es an einprägsamen Horrorbildern, obwohl Pesce mit seinem hypnotisch-verstörenden Debüt The Eyes of My Mother gerade diese zuhauf einfangen konnte. Bezeichnend für das lahme Spuktreiben ist überdies, dass schauspielerisches Können leichtfertig verschwendet wird. Demián Bichir, der für seine Hauptrolle in A Better Life 2012 eine Oscar-Nominierung erhielt, darf als knorriger Mahner und Stichwortgeber lediglich ominöse Dinge vor sich hinraunen. Hält man sich zudem das läppische Finale vor Augen, das mit einer hirnrissigen Aktion der Polizistin aufwartet, kann es am Ende nur ein Urteil geben: Diesen unter dem Strich uninspirierten The Grudge-Neuaufguss hätten sich Produzent Sam Raimi und der eigentlich talentierte Nicolas Pesce definitiv sparen können.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-grudge-2019