I Think We're Alone Now (2018)

Bitte nicht stören

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

Die Vorstellungen der Apokalypse gehen in der Regel mit dem völligen Zusammenbruch der Konventionen menschlichen Zusammenlebens einher. Die Überlebenden zerfallen in Gruppen aus Wölfen und Schafen. Und treffen zwei Alphatiere aufeinander, kommt es zum Kampf. Der größte Feind des Menschen ist, natürlich, ein anderer Mensch. Was dabei oftmals außer Acht gelassen wird: Die Angst vor den eigenen Mitmenschen setzt keineswegs erst in der Postapokalypse ein.

Schon in den engen Grenzen bestehender Zivilisation ist das menschliche Handeln oftmals bestimmt von der Angst voreinander. Vielleicht ist es nicht die Sorge, hinterrücks erschlagen zu werden, um an eine paar Tropfen Benzin zu kommen, die viele Menschen umtreibt, aber die Besorgnis auf Ablehnung zu treffen, nicht anerkannt, nicht geliebt zu werden, sind die Motivatoren vieler kleiner Alltagshandlungen. Dabei geht die Angst vor dem Alleinsein mit der vor dem Zusammensein Hand in Hand. Reed Moranos I Think We’re Alone Now stellt sich nun die Frage, wie das aussehen könnte, wenn diese Sorgen der Präapokalypse die wenigen Überlebenden bis in die Postapokalypse verfolgen. 

Del (Peter Dinklage), ehemaliger Bibliothekar und seines Wissens einziger Überlebender einer Katastrophe unbekannten Ursprungs, die alle seine Mitmenschen von einem Moment auf den anderen dahinraffte, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das daraus entstandene Chaos aufzuräumen. Jeden Tag fährt er morgens los und arbeitet sich systematisch durch die Straßen und Viertel seiner Stadt. Er sammelt die Leichen ein, vergräbt sie, putzt die Häuser, fegt die Terrassen, nimmt nebenbei die längst überfälligen Bibliotheksbücher mit und fängt am nächsten Tag wieder von vorne an. Bis er eines Tages überrascht feststellen muss, doch nicht alleine zu sein. Vor einem der gerade erst hergerichteten Häuser raucht, noch vom Aufprall auf der Gartenmauer, ein Auto, darin sitzt ohnmächtig eine junge Frau. Dieses unerwartete Auftauchen von Grace (Elle Fanning) verwirrt Del, der sich in der Einsamkeit eigentlich ganz gut eingerichtet hatte und es nährt vor allem seine Angst, dass es, da wo Grace herkommt, vielleicht noch andere Überlebende geben könnte. 

Unter der zurückhaltenden Regie von Reed Morano, die bisher vor allem als Kamerafrau in Erscheinung getreten ist, entfaltet sich die Annäherung und Abstoßung dieses wunderbaren Paares. Dinklage und Fanning sind großartig in diesem subtilen Spiel der Außenseiter, die noch nicht verstanden haben, dass es kein Innen mehr gibt, dessen Außen sie sein könnten. Der Film nimmt ihre Eigenarten ernst, macht sich nie über sie lustig. Indem er seinen Figuren so nahekommt, scheint er mitunter sogar deren Charaktereigenschaften aufzunehmen und wirkt daher manchmal fast so stoisch wie seine Hauptfigur. So wie Del jeden Morgen aufsteht und Stück für Stück die Straßen seiner Stadt abfährt, bewegt sich auch der Film ganz ruhig von Bild zu Bild. Selbst das Finale kommt ohne große Gesten aus. In dieser Unaufgeregtheit liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche von I Think We’re Alone Now. Diese Form filmischer Disziplin ist rar und kann auf eindringliche Art und Weise den Horror in den Kleinigkeiten hervorkehren. Sie birgt aber auch die Gefahr, das Publikum teilnahmslos werden zu lassen. 

I Think We’re Alone Now zeigt, dass Fantastik durch die Verschiebung des Blickwinkels Fragen über unsere Welt stellen und Dinge klar sichtbar machen kann, die in der Komplexität der Realität manchmal aus dem Blick geraten. Ausgehend von der Beobachtung, dass man auch in der Masse allein sein kann, entspinnt der Film in ruhigen Bildern eine Geschichte über Einsamkeit und die Schwierigkeit, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen und sich verletzlich zu machen. I Think We’re Alone Now erzählt damit auf eindringliche Art und Weise vom Alltag nach dem Zusammenbruch des Alltags.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/i-think-were-alone-now-2018