Fesseln der Macht (1981)

Zwei Männer und eine tote Frau

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zwei Männer, eine ermordete, zerteilte und zur Schau gestellte weibliche Leiche und Korruption im Los Angeles der 1940er Jahre. Allein diese Hinweise dürften schon ausreichen, um eine wichtige Inspirationsquelle von "Fesseln der Macht" zu erkennen: Wie schon in der literarischen Vorlage von John Gregory Dunne ist es auch in dem Film von Ulu Grosbard nach einem Drehbuch von Dunne und dessen Ehefrau Joan Didion der Mordfall Elizabeth Short, der eine zentrale Rolle spielt.

Elizabeth Shorts Leiche wurde im Januar 1947 gefunden, sie wurde verstümmelt, ein Lächeln wurde ihr ins Gesicht geschnitten und ihre Leiche zur Schau gestellt. Die Boulevardpresse stürzte sich auf diesen Fall, bald galt sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Veronika Lake in The Blue Dahlia als „Black Dahlia“. Seither ist sie in allerhand (pop)kulturellen Bearbeitungen präsent, am bekanntesten sicherlich James Ellroys gleichnamiger Roman aus dem Jahr 1987, der von Brian de Palma 2006 verfilmt wurde. Dabei vereint Grosbards Fesseln der Macht (1981) mit den nachfolgenden Bearbeitungen, dass die tote Frau hier lediglich ein Anlass ist, um von Männern, ihrer Korrumpierbarkeit und ihren Obsessionen zu erzählen. 

In diesem Fall sind es die Brüder Spellacy: Tom (Robert Duvall) ist Polizist in Los Angeles, korrupt, aufbrausend und bisweilen stur in seinem Willen das herzustellen, was er als Gerechtigkeit sieht. Desmond (Robert De Niro) ist Priester, einflussreich und raffiniert mehrt er das Vermögen der katholischen Kirche, in dem er Spenden von wohlhabenden Männern annimmt, die sich daraufhin unabhängig von ihrem kriminellen Geschäftsgebaren als Wohltäter aufführen können. Auch diese Figur basiert auf einer tatsächlichen Person: Monsignore Benjamin Hawkes, gegen den 2013 schwere Missbrauchsvorwürfe laut wurden. 

Desmond und Tom sind grundverschiedenen, verstehen sich aber gut. Während Des das Vermögen der katholischen Kirche erhöht und Machtstreben mit Wohltätigkeit zu verbinden sucht, ist Tom auf den Straßen von Los Angeles zu Hause. Doch dann wird besagte Leiche gefunden – und auf einmal scheint es, als sei einer der größten Wohltäter der katholischen Kirche darin verstrickt. Ganz im Sinne der offensichtlich stilgebenden Film noirs erzählt der Film nun von korrupten Männern und einer Gesellschaft, die in keinem guten Zustand ist. Vor tatsächlichen Abgründen aber, die außerhalb des Mordes liegen, schreckt der Film zurück, obwohl er in Anlage den Anschein erweckt, die Gesellschaft analysieren zu wollen. 

Hier zeigt sich, dass Grosbards Film sehr viel auf einmal sein will: Noir, Thriller, Mafiadrama oder gar Charakterstudie. Sicherlich ist es faszinierend, Robert de Niro und Robert Duvall in diesen Rollen zu sehen, die mittlerweile im Rückblick so perfekt zu ihrer Filmographie passen. Bereits hier ist zu sehen, was man seither so oft von ihnen gesehen hat. Aber auch sie können nicht vollends ausgleichen, dass aufgrund der unterkühlten Inszenierung die Analyse der Machtstrukturen nur oberflächlich bleibt. 

Deshalb lässt sich an Fesseln der Macht vor allem ablesen, wie wenig sich viele Genrebestandteile seither verändert haben. Diese Geschichte wurde davor und danach häufiger erzählt, in sehr ähnlicher Weise. Innerhalb der Historie von Kriminalfilmen aus Los Angeles fügt sich der Film daher an seinen verdienten Platz. Jedoch fehlt ihm die Überzeitlichkeit, die wahrlich große Klassiker ausmacht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/fesseln-der-macht-1981