Support the Girls (2018)

Sisterhood im Breastaurant

Eine Filmkritik von Falk Straub

Kostengünstiges Kino hat es schwer. Selbst eine Independent-Ikone wie Andrew Bujalski hat Mühe, seine Filme überhaupt in die Lichtspielhäuser zu bringen. Zum Glück gibt es (noch) einen gut funktionierenden Heimkinomarkt, auch wenn dieser freilich nur einen Bruchteil dessen veröffentlicht, was sehenswert wäre. Bujalskis jüngste Komödie zählt zu Barack Obamas persönlichen Favoriten des Kinojahrs 2018. Trotz der Fürsprache des ehemaligen US-Präsidenten erscheint sie hierzulande nur auf DVD und Blu-ray. Darin nimmt der Regisseur und Drehbuchautor eine vermeintlich letzte Bastion der Männlichkeit süffisant auseinander und zeigt, wie viel Weiblichkeit dahinter steckt.

Wie immer steigt Bujalski unvermittelt ein. Gemeinsam mit der Restaurantleiterin Lisa (Regina Hall) schließt das Publikum das „Double Whammies“ auf, lernt dessen Belegschaft und über eine Gruppe Bewerberinnen um die junge Jennelle (Dylan Gelula) auch das Lokal und seine Gepflogenheiten kennen. Bujalskis in Wien geborener Stammkameramann Matthias Grunsky durchmisst den Ort behände und unaufdringlich. Dessen Name ist Programm, und die oberste Regel "No Drama!" verkehrt sich alsbald ins Gegenteil.

Direkt an einem mehrspurigen Highway gelegen, lockt die Gaststätte mit einem kruden und ungemein amerikanischen Mix. Das „Double Whammies“ zählt zu jener Art Erlebnisgastronomie, für die das schöne Kofferwort breastaurant erfunden wurde. Hier trifft Familienfreundlichkeit auf Sportfernsehen, vor allem aber treffen üppige Oberweiten auf noch üppigere Portionen.

Im echten Leben tragen vergleichbare Etablissements eindeutig zweideutige Namen wie „Hooters“, „Twin Peaks“, „Racks“ oder „Mugs & Jugs“. Im eigens für den Film erfundenen Restaurant klingt außer der Aussicht auf offenherzige Dekolletés auch die Handlung an. Ein double whammy ist doppeltes Pech, und in Bujalski neuem Film kommt ein Unglück selten allein.

Erst entdeckt Lisa einen Einbrecher, der im Lüftungsschacht des Restaurants feststeckt, dann fällt ausgerechnet am Tag eines publikumsträchtigen Boxkampfs das Kabelfernsehen aus. Weitere Missgeschicke folgen, in deren Verlauf Lisas Kellnerinnen Danyelle (Shayna McHayle) und Maci (Haley Lu Richardson), Koch Arturo (Steve Zapata), Stammkundin Bobo (Lea DeLaria), Lisas Boss Cubby (James Le Gros) und ihr Ehemann Cameron (Lawrence Varnado) allesamt eine tragende Rolle spielen. Wie von Bujalski gewohnt, geht es dabei gleichsam warmherzig und staubtrocken zur Sache.

Über den Zeitraum eines Tages und des folgenden Morgens erzählt, ist dem 1977 geborenen Filmemacher erneut ein mitfühlender Blick auf ein seltsames Soziotop voller schräger Charaktere und imposanter Persönlichkeiten geglückt. Nach der Programmiererbranche in Computer Chess (2013) und der Fitnessbranche in Results (2015) nimmt er dieses Mal das Gastrogewerbe unter die Lupe und dessen verquere Körperbilder und Moralvorstellungen aufs Korn.

Mehr noch als der Name des Restaurants ist der Filmtitel Programm. Im Gegensatz zu ihrem Chef, den der einstige Beau James Le Gros unnachahmlich abgehalftert gibt, unterstützt Lisa ihre Angestellten auf allen erdenklichen Wegen. Kommt ihnen ein Kunde blöd, komplementiert sie ihn freundlich, aber entschieden aus dem Lokal. Respektlos über das Personal reden oder gar ungebührlich anfassen, ist in diesem Laden nicht drin. In dieser vermeintlich letzten Bastion der Männlichkeit voller Bier, Burger und Brüste geben Frauen den Ton an.

Gut geschrieben und fabelhaft besetzt, hangelt sich Bujalskis Handlung an diesem schmalen Grat zwischen Anziehung und Zurückweisung entlang. Die Bedienungen mögen sexuelle Appetithäppchen sein, gegessen wird immer noch zu Hause. Bujalski straft diesen Widerspruch zwischen Puritanismus und Sex(ismus) nicht als verwerflich ab, sondern verneigt sich augenzwinkernd und mit wundervollen Pointen vor diesen Frauen. Sie füllen ihren Beruf mit Ernst, Herzblut und Würde aus, egal wie leichtbekleidet sie dabei auch sein mögen.

Jemanden aus dem Cast herauszuheben, täte dem tollen Ensemble unrecht. Es wäre aber auch ungerecht, Regina Hall, die den gesamten Film schultert, unerwähnt zu lassen. In der zurückhaltenden, aber resoluten und stets optimistischen Art ihrer Figur, die dem Motivationsgerede von Solidarität und Schwesternschaft tatsächlich Taten folgen lässt, liefert Hall eine ihrer besten Karriereleistungen ab. Dafür erhielt sie unter anderem den Preis als beste Hauptdarstellerin bei den New York Film Critics Circle Awards – als erste Afroamerikanerin überhaupt.

Am Ende steht der nächste Konkurrent, die Breastaurant-Kette „Mancave“, bereits in den Startlöchern. Die Frauen aus dem „Double Whammies“ können darüber nur noch herzhaft lachen und kathartisch in den Straßenlärm des angrenzenden Highways hineinbrüllen. Für die Optimistin Lisa hört er sich wie Meeresrauschen an.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/support-the-girls-2018