Searching (2018)

Wo bist Du?

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die vertrauten Einwählgeräusche eines Modems. Dazu eine Windows-Bildschirmoberfläche, die an das beginnende Jahrtausend denken lässt, mit diesen Bildern und Tönen beginnt  Searching. Ordner werden angelegt, Fotos und Videos hochgeladen. Dann verändern sich die Betriebssysteme und technischen Möglichkeiten und allein dadurch ist bereits zu erkennen, wie die Zeit vergeht. Über die gesamte Laufzeit wird der Film nicht von seinem Prinzip abweichen, über Bildschirme zu erzählen – und lässt dabei klare Stärken und Schwächen erkennen.

Schon der Anfang zeigt, dass mit einfachen Mitteln viel erreicht werden kann: Die vergehenden Jahre werden deutlich, aber zugleich wird mit den Bildern und Videos auch die Geschichte der Familie Kim erzählt. Da sind Pamela (Sara Sohn) und David Kim (John Cho) sowie ihre Tochter Margot. Eine kleine glückliche Familie. Pamela wird krank, aber sie besiegt den Krebs, wie ein Video erkennen lässt, das sie auf einem Berg beim Joggen zeigt. Einige Zeit später kehrt der Krebs zurück und wieder sind Pamela und David an derselben Stelle zu sehen, auf dem Berg, David läuft. Doch Pamela kann nicht mithalten – und schon hier ahnt man, dass sie es nicht schaffen wird. Dann wird diese Befürchtung bestätigt, immer wieder wird im Kalender ihre Entlassung nach hinten geschoben. Pamela stirbt und David und Margot versuchen irgendwie alleine weiterzumachen. All das wird vermittelt über Fotos, kurze Videosequenzen, Textnachrichten und Anrufe in der Anfangssequenz. Doch dann setzt die eigentliche Geschichte ein: Margot (Michelle La) versucht ihren Vater nachts dreimal anzurufen, dann verschwindet sie. Und David setzt alles daran, sie zu finden. 

Mit Beginn der Suche nach Margot zeigen sich auch die Grenzen des Wegs über Bildschirme zu erzählen. Immer mal wieder muss Regisseur Aneesh Chaganty in seinem Debüt ein wenig in die Trickkiste greifen: Beispielsweise lässt David seine Webcam bei Telefonaten an – oder kommuniziert mit der zuständigen Polizistin Rosemary Vicky (Debra Messing) in Videotelefonaten, damit sie wortwörtlich ein Gesicht bekommt. Sie schlägt David auch vor, dass sie in der Außenwelt ermittelt, während David sich den Rechner und die Social-Media-Konten seiner Tochter vornimmt. 

Dadurch sucht David virtuell nach seiner Tochter und kann so den Zuschauer mitnehmen. Nach und nach wird deutlich, wer Margot eigentlich ist – und dass Vater und Tochter sich durch die Trauer immer weiter voneinander entfernt haben. Wohltuenderweise wird dabei nicht nur auf die Oberflächlichkeit und Gefahren von sozialen Netzwerken hingewiesen, sondern auch verdeutlicht, dass sie für Teenager eine Möglichkeit sind, sich selbst auszudrücken – und manchmal sogar Gleichgesinnte zu finden.

Bemerkenswert ist zudem, dass es Aneesh Chaganty gelingt, eine emotionale Verbindung zu den Figuren herzustellen – allein schon durch den bemerkenswerten Anfang, aber auch indem zu sehen ist, wie David eine Nachricht eintippt, sie dann aber wieder löscht. Oftmals steckt in den nicht gesendeten Nachrichten viel mehr Ehrlichkeit als in denjenigen, die David letztlich abschickt. Dennoch stellen sich auch Zweifel an ihm und seiner Überzeugung ein, dass seine Tochter niemals abhauen würde. 

Erst im weiteren Verlauf nimmt Searching dann weitere Bildschirme hinzu: Nachrichtenstreams, Videos oder auch Aufnahmen von Überwachungskameras, wodurch sich der Erzählradius erweitert. Nicht alle Einfälle sind hier gelungen, auch gibt es allzu deutliche falsche Fährten. Aber immerhin ist dieser an sich einfachen Geschichte zugutezuhalten, dass sie so manche vorübergehende Unglaubwürdigkeit am Ende auflöst. Und alleine der starke Anfang zeigt, welche kraftvollen Möglichkeiten in dieser Erzählweise liegen. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/searching-2018