Nur ein kleiner Gefallen (2018)

Niemals entschuldigen

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

"Nur ein kleiner Gefallen" ("A Simple Favor") beginnt mit einer unerwarteten Freundschaft. Emily Nelson (Blake Lively) ist die aufregendste Mami auf dem Schulhof. Wunderschön, glamourös und immer etwas beschwipst scheint sie völlig anders, als die anderen alltagsgestressten Vorstadteltern zu sein. Umso überraschter ist daher die engagierte Helikoptermutter Stephanie (Anna Kendrick), als Emily ein Interesse an ihr zu entwickeln beginnt. Doch währt diese glückliche Zeit der Freundschaft nicht lange. Emily und Stephanie sind ein Gegensatzpaar, das deutlicher nicht sein könnte, und in ihrer Zuspitzung auf die zwei gängigen Frauenstereotype der Hure und der Heiligen muss auch ihnen verwehrt bleiben, was den meisten Frauenfiguren im Kino unmöglich ist – weibliche Solidarität.

Die Beziehung der beiden verkompliziert sich, als Emily Stephanie um den titelgebenden kleinen Gefallen bittet: ihren Sohn von der Schule abzuholen. Schnell wird klar, dass Emily so schnell nicht wiederauftauchen wird. Zusammen mit Emilys Mann Sean (Henry Golding) und tatkräftiger Unterstützung der Fans ihres Vlogs, indem sie normalerweise Kochrezepte und Haushaltsmittel teilt, macht sich Stephanie auf die Suche nach ihrer besten Freundin. Wenig überraschend wird diese Suche verschüttete Geheimnisse der beide Frauen ans Licht bringen und auch die Freundschaft nicht unverändert lassen. 

Mit einer zuweilen grotesk extravaganten Garderobe versehen, ist Blake Lively wie gemacht für die Rolle der Traumfrau, die immer auch genau das ist – ein Traum, eine Projektion, ein Irrlicht. Und wie es Sitte ist, straft die Sirene all jene, die ihren allzu schönen Gesängen blind gefolgt sind, Stephanie eingeschlossen. Die wiederum wird wunderbar von Anna Kendrick in ihrer Paraderolle als unterschätzte Streberin gespielt, die langsam aus sich herauswächst. So weit, so Klischee. 

Der Film nutzt dieses sehr stereotype Setting, um eine unterhaltsame Detektivgeschichte zu erzählen, in der keine Storyline zu unwahrscheinlich ist, um nicht Verwendung zu finden. Der Spaß liegt darin, dass Nur ein kleiner Gefallen sich nie für diese seltsamen, dysfunktionalen Momente entschuldigt, sondern sie stattdessen mit Stolz präsentiert. Sich nicht, niemals, unter keinen Umständen zu entschuldigen, ist die große Lehre, die Emily an ihre gelehrige Schülerin Stephanie weitergibt, auch der Film nimmt sich diesen Rat zu Herzen. Dabei findet er das richtige Tempo, um das Publikum auch bei den immer abstruseren Wendungen nicht zu verlieren. 

Versteckt zwischen buntem Tüll und Kleinstadtfantasien wird noch etwas anderes sichtbar: Der Film zeichnet sehr genau nach, warum die Freundschaft immer schon zum Scheitern verurteilt ist. Auf ihre absolut stereotypen Grundmuster zurückgesetzt, können die zwei Frauen unmöglich eine längerfristige Beziehung eingehen. Sie sind zu einer Existenz als Antagonistinnen verurteilt. Indem der Film seine Figuren in ihrer Künstlichkeit so ausstellt, großen Spaß daran findet, die Klischees hervorzuheben und mit ihnen zu spielen, sowie zugleich das unausweichliche Scheitern einer zunächst vielversprechend erscheinenden Freundschaft erzählt, verbirgt sich in Nur ein kleiner Gefallen durchaus eine Reflexion über Frauenrollen im Film. 

Leider dient die selbstreflexive Ironie oftmals nur vordergründig dem Ziel der Kritik, zumeist ist sie das Feigenblatt, das die ansonsten konservativen Ansichten vor der völligen Entblößung schützt. Nur ein kleiner Gefallen findet einen Zwischenweg. Weder die große Veränderung der Frauenfiguren im Kino noch das völlige Beharren auf alten Strukturen wird hier inszeniert, sondern ein verspielter Umgang mit den klassischsten Stereotypen, der zumindest ganz witzig ist – und bekanntermaßen liegt ja gerade im Lachen ein großes subversives Potential.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/nur-ein-kleiner-gefallen-2018