Die defekte Katze (2018)

„Wer bist du eigentlich?“

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Susan Gordanshekans Langfilmdebüt „Die defekte Katze“ beginnt mit zwei Menschen, die zunächst vor allem eines verbindet: der Wunsch, jemanden kennenzulernen und zu heiraten. Diese beiden werden sich finden – genauer formuliert, sie lassen sich finden, indem sie ihre Ehe arrangieren lassen. Die erste Begegnung sowie die Hochzeit spart die Drehbuchautorin und Regisseurin in ihrer Erzählung jedoch aus. Stattdessen schildert sie den Aufbau eines gemeinsamen Lebens in Deutschland – und die inneren sowie äußeren Hindernisse, mit denen das Paar dabei konfrontiert wird.

Mina (Pegah Ferydoni) ist Anfang 30, hat Elektrotechnik studiert und wohnt mit ihren Eltern im Iran. Kian (Hadi Khanjanpour) – ebenfalls in seinen Dreißigern – arbeitet als Arzt im Krankenhaus; er wuchs als Sohn iranischer Eltern in Deutschland auf. Nach der Eheschließung verlässt Mina ihre Heimat, um mit Kian zusammenzuziehen. Bald stellen sich allerdings erste Komplikationen ein: Die Vorstellungen über die Einrichtung der Wohnung gehen weit auseinander – und Mina erwirbt eine Katze mit Gendefekt, die in ihrem anstrengenden Verhalten zum wenig schmeichelhaften Spiegelbild des Ehelebens von Kian und Mina wird. Hinzu kommt, dass Mina in der deutschen Sprache noch unsicher ist und zunächst keine Stelle findet. Die Frustration der beiden wächst: War die Hochzeit womöglich eine Fehlentscheidung?

Klug und mit zahlreichen feinen Beobachtungen kombiniert Gordanshekan die Konflikte in der Entstehung einer Paarbeziehung mit den Themen Migration und Integration. Für ihr Werk, das auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion Perspektive Deutsches Kino seine Premiere feierte, ließ sich die 1978 in Kassel geborene Filmemacherin sowohl von den Biografien ihrer Eltern, die aus der Stadt Isfahan im Iran stammen, einander dort auf traditionelle Art und Weise kennenlernten und als Ehepaar nach Deutschland gingen, als auch von neueren Erlebnissen in ihrem iranischen Umfeld inspirieren. Die defekte Katze ist einerseits ein Film über eine ganz spezifische Situation, in welcher zwei Menschen, die sich einsam fühlen, eine arrangierte Ehe eingehen und eine Frau aus dem Iran sich in die westliche Kultur einfinden muss; andererseits ist es aber auch eine universelle Geschichte über das Gefühl, sich nah und doch seltsam fremd zu sein. „Wer bist du eigentlich?“, fragt Kian Mina, als diese direkt neben ihm im Bett liegt. Und es dauert recht lange, bis die beiden – vielleicht – einen Weg finden, sich diese Frage irgendwann tatsächlich gegenseitig beantworten zu können.

Die defekte Katze ist, erfreulicherweise, kein Thesenfilm. Er liefert keine Pro- und Contra-Argumente für beziehungsweise gegen sein Sujet der arrangierten Ehe. Auch geht es Gordanshekan offenkundig nicht um Zuspitzungen: Es kommt hier weder im Strang um die Beziehung zwischen Kian und Mina noch in Minas Versuchen, sich im deutschen Alltag zu orientieren, zur Eskalation, zur übergroßen Dramatik. Vielmehr beobachtet Gordanshekan angenehm unaufgeregt und präzise ihre beiden Hauptfiguren und bleibt dabei zudem völlig unparteiisch. Das Skript zeichnet Kian und Mina als komplexe, nachvollziehbare Charaktere – und Hadi Khanjanpour (Bad Banks) und Pegah Ferydoni (Türkisch für Anfänger, Women Without Men) spielen diese Rollen mit sehr viel Empathie. Das Paar muss – individuell und schließlich gemeinsam – lernen, sich von Erwartungen und (Ideal-)Vorstellungen zu lösen. Die beiden müssen scheitern, um danach eventuell Erfolg zu haben. „Es ist nicht so wie im Satellitenfernsehen“, heißt es an einer Stelle. Das trifft auf ein Land sowie dessen Leute zu – und ebenso auf das Miteinander, die Zweisamkeit, die Liebe.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-defekte-katze-2018