Nome di donna (2018)

In culpa ecclesiae

Eine Filmkritik von Simon Hauck

„Instituto Baratta“ prangt ein edles Messingschild am Eingang einer luxuriösen Seniorenresidenz in der Lombardei. Hier sitzen, liegen, essen und schlafen also die nicht selten schwerreichen Ex-Eliten des Landes im letzten Herbst ihres Lebens. Die Rasenpflege ist selbstverständlich picobello und der Männeranteil unter den scheinbar ganztags gepamperten Heimbewohnern naturgemäß besonders hoch. Unter der Leitung von direttore Marco Maria Torri (Valerio Binasco), der sich höchsten Ansehens in kirchlichen wie politischen Kreisen erfreut, was noch keiner Karriere im Nachkriegsitalien schadete, leisten täglich Dutzende Frauen ihre Dienste als Altenpflegerinnen, Reinigungs-, Küchen- oder Servicekräfte.

Eine davon ist Nina (Cristina Capotondi), die erst vor kurzem hergekommen ist. Als alleinerziehende Mutter lebt sie im lombardischen Speckgürtel um die heimliche Hauptstadt Mailand in prekären Lebensverhältnissen. Als überwiegend arbeitslose Restauratorin für kostbare Möbel oder Kircheninventar reicht ihr selten das Geld. Umso glücklicher ist die attraktive junge Frau daher über ihren neues Arbeitsverhältnis im renommierten „Instituto Baratta“. „Hunderte Bewerberinnen“ sollen auf der Warteliste stehen, heißt es bereits in den ersten Gesprächen mit verschiedenen MitarbeiterInnen vor Ort, was die sichtlich vom Leben gebeutelte Nina mit einem gewissen Stolz erfüllt.

Doch die Idylle trügt – und der erzkonservative Geist der Einrichtung wird schon zu Beginn von Marco Tullio Giordanas Nome di Donna in gelungenem Dekor augenscheinlich. Wer nicht für die Kirche ist, ist gegen sie, lautet die unterschwellige Botschaft seines offen gesellschaftspolitisch konnotierten Sozialdramas. Und wer mit dem ekelhaften „Machismo“-Gebaren des Chefs fremdelt, wird hier nicht glücklich werden, was die zunächst unbeholfen-naiv wirkende Nina plötzlich in aller Widerlichkeit am eigenen Lieb erfahren muss...

In Zeiten der weiterhin dringend notwendigen #MeToo-Debatte, im Umfeld aktueller Gender-Diskurse sowie der nach wie vor extrem ausgeprägten „Macho“-Kultur – speziell auch in Italien – kommt Marco Tullio Giordanas Nome di Donna sicherlich zur absolut richtigen Zeit in die Kinos, auch wenn sich der deutsche Starttermin mehrfach verzögert hatte. Giordana (100 Schritte/Die besten Jahre) hatte dieses gleichfalls genderrelevante wie engagierte Spielfilmprojekt bereits lange Zeit vor dem Weinstein-Skandal begonnen. Und auch seine Handschrift als gesellschaftspolitisch relevanter Akteur im italienischen Gegenwartskino bleibt in Nome di Donna jederzeit erkennbar.

Doch selbst das weitgehend überzeugende Spiel Cristina Capotondis, die man hierzulande lediglich als Hauptdarstellerin der jüngsten Sisi-Neuauflage kennt, bewahrt den Film nicht davor, als mehrheitlich all zu glattes und dramaturgisch wenig variantenreiches Frauendrama in diverse klischierte Kitschfallen zu tappen: Die Kirchenmänner sind selbstredend böse, die KollegInnen en gros dreist oder zickig, die Beziehung zum Vater ihres Kindes ist frei von Überraschungen...

Seltsam unstet zwischen Problemfilm, Sozial- und Politdrama mäandernd, das sich im letzten Drittel dazu noch in einen arg konventionellen Gerichtsfilm verwandelt, ist Nome di Donna in toto leider nicht der Film der Stunde, sondern lediglich ein besserer Fernsehfilm mit greifbarem goodwill-Impetus. Trotz seiner eminent wichtigen Grundthematik („Ich habe das Recht zu arbeiten, ohne angefasst zu werden!“) fehlt Giordanas Film schlichtweg die Ambiguität eines Marco Ferreris oder eines Pier Paolo Pasolinis, die zu Lebzeiten echte Skandalfilme auf die Leinwand brachten und dadurch immer wieder neues Feuer im italienischen Nachkriegsdiskurs schürten. Hier bleibt es nur ein leises Flackern.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/nome-di-donna-2018