Lemonade (2018)

Vom Kämpfen und Überleben

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Rassismus und Sexismus sind nur zwei Seiten ein und derselben hässlichen Gewalt, die immer noch – und immer mehr – die Menschheit zerfrisst. Lemonade erzählt die Geschichte einer jungen rumänischen Frau, die in den USA ein neues Leben beginnen möchte. Sie träumt vom amerikanischen Traum und erduldet unermüdlich sein Zerplatzen an den Behörden, an gewalttätigen Männern, an rassistischen Polizisten.

Mara (Mălina Manovici) hat eigentlich Glück: Um Geld zu verdienen arbeitet die Krankenpflegerin aus Rumänien für eine Weile in den USA und lernt dort ihren Patienten Daniel (Dylan Scott Smith) kennen. Die beiden heiraten und Mara kann eine Green Card beantragen, um gemeinsam mit ihrem Sohn Dragos (Milan Hurduc) in den USA bleiben zu können. Doch der bürokratische Prozess dauert und ihr zuständiger Bearbeiter (Steve Bacic) nutzt die Situation der jungen Frau aus, bedrängt und missbraucht sie. Mara lässt sich aber weder von ihm noch von ihrem Mann oder von irgendjemandem den Traum zerstören.

In stillen Bildern begleitet Lemonade seine Protagonistin, ihre Erniedrigungen, ihr Ausharren, ihren Kampf gegen den alltäglichen und behördlichen Rassismus, gegen die Gewalt all derer, die ihre Macht über Schwächere ausnutzen. Nur selten, in den Momenten größter Verzweiflung, bricht Maras entschlossener Blick, drängt der Schmerz des erlittenen Unrechts hinaus, um sich im nächsten Augenblick wieder in ihr zu verschließen – gegen eine Welt, der sie die Stirn bietet und die sie nicht von ihrem Weg abbringen kann, egal wie viele Narben sie davonträgt.

Der Film bietet keine einfachen Antworten, keinen leichten Ausweg: Er erzählt eine Geschichte über den Mut und das Leid einer jungen Frau, der nichts bleibt, als immer wieder über sich ergehen zu lassen, was unausweichlich scheint – sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt, Erniedrigungen durch Polizei und Behörden. Es geht dabei nicht darum, die Geschichte einer tapferen Heldin in einer dunklen Welt zu erzählen, immer wieder findet Mara auch Verbündete, etwa in der Schulleiterin ihres Sohnes oder in einer Freundin aus ihrer Heimat (Ruxandra Maniu). Der Film zeigt ein Schicksal, wie es sich alltäglich ereignet, überall auf der Welt, und macht daraus keine Geschichte der erlösenden Rettung. Am Ende steht kein Sieg über das Unrecht, sondern nur eine neue Etappe in Maras Kampf.

Das Bild der USA, das der Film entwirft, sieht dabei eigenartig vertraut und doch feindlich und fremd aus. Es wirkt wie eine ausgewaschene Variante all jener Bilder des amerikanischen Traums, die von unzähligen Filmen produziert und überall auf der Welt gesehen werden. Auch die USA sind nur ein Land, eine Ansammlung grauer Fassaden und trostloser Motels und selbst noch diese Trostlosigkeit hinter der Illusion stellt Lemonade nicht aus: Im kalten Blick hinter die Kulissen, wenn alle Beleuchtung abgebaut und jede Künstlichkeit entkleidet ist, bleiben die Orte und Räume allein zurück. Der Rest des amerikanischen Traums ist auch nur das Überleben, die Fortsetzung eines Kampfes für ein bisschen mehr Gerechtigkeit, für ein kleines Stück Freiheit.

Gerade in dieser Desillusionierung, im Ekel vor dem Beamten, in der Wut und Enttäuschung, die sich auf Maras Gesicht abzeichnen, in seiner tiefen Empathie gelingt dem Film die größte Anklage: In welcher Welt leben wir, in der das Erdulden all dessen, was Mara durchstehen muss, besser ist als alle Alternativen? Lemonade glaubt nicht daran, dass die Welt sich so schnell ändern lässt – aber er glaubt an all die Unterdrückten und Verletzten und an ihre Macht, sich zu widersetzen, zu bestehen, niemals aufzugeben und am Ende allein dadurch einen Sieg davonzutragen, gegen die Unterdrückung, deren Macht noch nicht endgültig gewonnen hat.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/lemonade-2018