America Land of the Freeks (2018)

Es ist nicht leicht, ein Trash-Gott zu sein

Eine Filmkritik von Simon Hauck

„In Amerika ist alles möglich. Gutes und Schlechtes, Brutales und Großzügiges, Schönes und Hässliches, Großes und Kleines, Göttliches und Teuflisches. Alles!“, notierte der am 2. Dezember 2017 verstorbene Ulli Lommel einmal in seinen wirr zusammengesponnen, aber stellenweise köstlich zu lesenden Pseudo-Memorieren Die Zärtlichkeit der Wölfe, benannt nach seinem gleichnamigen, künstlerisch bedeutendsten Regiewerk.

„Love, Fuck America!“, lautete nun auch der ursprüngliche Arbeitstitel für Lommels 64. und letzten fertiggestellten Film, der als Berlinale Special 2018 seine Uraufführung erleben durfte – und viele der Anwesenden im Haus der Berliner Festspiele vorzeitig zum Aufstehen animierte. „Was soll denn das schon wieder?“ oder „Ach, nein: Hör auf, das macht der ja wirklich!“ lauteten da noch die freundlichsten Kommentare im Rücken des Kritikers. 

Einerseits: Über Tote soll man ja nur Wohlwollendes sagen. Andererseits: Wie soll man da nur anfangen, über AMERICA – Land of the FreeKS – so heißt Lommels wild zusammengeschustertes, völlig heterogenes Trashfilmexperiment – zu schreiben, wenn sich doch darin überhaupt nichts Lobenswertes findet und man eben doch sofort mit dem Holzhammer loslegen zu muss. Ach, „fuck up!“, heißt eines der Leitmottos in diesem Film! Und dasselbe hätte der Verstorbene vielleicht auch dieses Mal während eines Q&As gesagt, wo doch schon 2009 sein ebenso ungenießbares Werk Absolute Evil am selben Ort gnadenlos ausgebuht worden war.

Worum geht es also nun in AMERICA – Land of the FreeKS? Vordergründig, die Vokabel thematisch wäre an dieser Stelle schon zu viel des Guten, um Gender-Fragen, Fake News, skurrile Heil- und Wanderprediger, Computerspiel-Nerds, den US-amerikanischen Rassen- wie Waffenwahn, den „ältestesten porn star der Welt“, den Papst oder natürlich, irgendwann musste es ja zwangläufig kommen, um das Land der Donald-Trump-Wähler und – nomen est omen – dessen bunt schimmernden, teilweise komplett verstrahlten Einwohner: Freeks eben. Aber keine, wie man sie auch Ted Brownings gleichnamigen Horrorfilmklassiker (1932) kennt, sondern um (nicht) ganz (so) reale US-Bürger, die Ulli Lommel, so etwas wie der deutsche John Waters, mit diversen Canon-Modellen und Handy-Kameras bewaffnet für seinen 77 Minuten Film getroffen hat. 

Und davon ist im Prinzip jede eine zu viel. Denn was der exaltierte Regisseur hier filmisch verbrochen hat, ist schlichtweg reichlich ungenießbar; ein Film für die Mülltonne der Filmgeschichte: Selbst der des bad taste-Subgenres. Und das liegt in erster Linie nicht allein am seltsam planlosen Regie-Zampano Lommel, sondern vom Start weg an den diversen Ulli Lommel Superstars, die hier beinahe minütlich und brav hintereinander irgendwie im Bild oder der jeweiligen Szene herumstehen dürfen. Jenes Verfahren hatte er sich ja schon lange vorher, ähnlich wie Schlingensief, einst von Andy Warhol und Rainer Werner Fassbinder abgeschaut, mit denen er schließlich die meiste Zeit seiner künstlerischen Laufbahn als Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent verbandelt war. 

So darf dann beispielsweise Lommels Cutter Eric zwischendurch zu „Miss Am-Eric-A“ mutieren, was – gelinde gesagt – nur bedingt lustig ist, ehe die nächsten tolldreisten Rollenspiele wie „beating up bankers“ präsentiert werden, obendrein in Schwarz-Weiß und in Farbe, zugleich wohlgemerkt: Drunter macht es Lommel ist diesem Film an keiner Stelle, was in AMERICA – Land of the FreeKS, diesem brachialem Blödelfilm mit politischem Anstrich, nicht nur fürchterlich aussieht, sondern vor allem auch Null Komma Null Sinn hat – oder irgendeine ästhetische Grundbedeutung. 

Herausgekommen ist hierbei am Ende, wenn es das an dieser Stelle überhaupt gibt, irgendetwas Krude-Filmisches, angesiedelt zwischen Popcore statt Hardcore, Folklore und Systemkritik, aufgedonnert mit altbekannten US-Verschwörungstheorien – natürlich hat Stanley Kubrick die Mondlandung im Auftrag Nixons inszeniert, das weiß doch heute jeder! – und schier unerträgliche Z-Stars. Unterlegt wird dieser Mix Wix-Film, um mal an einen anderen großen Groteskfilmer zu erinnern, mit dem berühmten Lohengrin-Vorspiel zum 1. Akt aus Richard Wagners Schwanenritter-Oper. 

Darauf folgen dann splitterhafte, wenig pointierte Fitzcarraldo-Zitate im brasilianischen Urwald und – jetzt bitte festhalten – kaum auszuhaltende Reenactment-Szenen, in denen der Welt erklärt wird, wie der nordamerikanische Kontinent zu seinem heutigen Namen gekommen ist: Sie haben’s eh schon geahnt? Genau: Irm Herrmann war schuld, und genau das sieht man dann auch im Bild. Spätestens hier zieht es einem angesichts dieses brachial-blöden Pennälerhumors wirklich die Schuhe aus und sucht ernsthaft den Ausgang des Kinosaals. Sorry, lieber Ulli: Das war nix. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/america-land-of-the-freeks-2018