Whatever Happens Next (2018)

Alle aussteigen, bitte!

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Ein Mann verlässt sein Haus, holt eine Werbezeitung aus dem Briefkasten, steigt aufs Rad, fährt los. Und hält an. Und steigt ab. Und steigt damit aus. Schnitt. Ein Parkplatz. Die Kamera in einem Auto. Wir sehen den Mann, mit einem Stoffbeutel in der Hand streift er um die geparkten Wagen. Nähert sich unserem Auto. Es ist nicht abgeschlossen. Setzt sich auf den Beifahrersitz und wartet. Bist du ein Anhalter? Sowas ähnliches.

Er darf mitfahren, mit dem Friedhofsgärtner, zum Friedhof. Dort: Eine Trauergesellschaft. Leichenschmaus. Traurige Rede. Der Mann setzt sich dazu. Eine ältere Dame, dement wirkend, erzählt von einem Japaner. Und von Aids. Und von Cary Grant. Er hört zu. Das kann er gut. Er hört zu. Ist freundlich. Ist Projektionsfläche.

Paul heißt er, das erfahren wir erst später. Wir begleiten ihn auf seinem Weg, der ohne Zweck und ohne Ziel ist. Der Weg ist einfach da. Paul folgt ihm. Mit einem leisen Lächeln um den Mund, mit Wehmut um die Augen. Und er kommt dabei auch an Cameoauftritten bekannter Kinogesichter vorbei. Sitzt bei Eva Löbau im Auto. Und Hanns Zischler erzählt von den bereichernden Wochen, als Paul bei ihm gewohnt hat. Hinter Paul her ist ein weißhaariger, schnauzbärtiger, gleichmütiger Mann: Privatdetektiv. Ermittlung; Verfolgung; Spannung? Nein. Eher ein filmisches Nachsinnen über Bewegung, über Sein, über das An-und-für-sich-Sein. 

"Paul ist charmant, bleibt 'ne Weile, nimmt sich, was er will, und wenn er keine Lust mehr hat, haut er wieder ab." Der Detektiv weiß die Fakten. Er benennt sie warnend. Aber ist da nicht mehr? Ist da nicht eine Begegnung? Nimmt Paul tatsächlich nur oder gibt er auch irgendwas, und wenn es nur die Erinnerung an einen seltsamen Typen ist? Irgendwann holt sich Paul an der Autobahnraststätte einen Kaffee, und eine junge Blonde hängt sich an ihn, bestellt mit, er bezahlt. So lernt er, in der zweiten Hälfte des Films, Nele kennen, die völlig durch den Wind ist. Sie muss die Katze hüten von Freunden ihrer Eltern, in deren Wohnung in Kiel, aber vielleicht ist die Katze schon tot, sie ist verzweifelt und sitzt erstmal lange am Strand. Vielleicht will sie baden gehen, vielleicht nicht, die Tür zur Wohnung ist für sie unüberwindlich. Zum Glück ist Paul dabei, die Katze lebt, aber Nele ist innerlich trotzdem völlig konfus. "Ich bin borderline und depressiv und hab wirklich ganz ganz viele Störungen!" Paul interessiert die Krankheitsgeschichte kaum, ihn interessiert die Person; er ist da, sie ist da, mehr braucht er nicht, und sie ja eigentlich auch nicht.

Dass Paul immer weiterzieht, ist völlig klar. Warum, ist völlig wurscht. Wohin: Nach da und dort. Er ist ein Surfer über die Leben der anderen. Er ist da.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/whatever-happens-next-2018