Surprise

Lebensmüde Liebende

Eine Filmkritik von Falk Straub

Für Karakter erhielt der Niederländer Mike van Diem 1998 einen Auslands-Oscar. Danach wechselte er vom Kino- zum Werbefilm. Mit Surprise kehrt der Regisseur und Drehbuchautor nun auf die große Leinwand zurück. Und wie der Titel bereits vermuten lässt, wartet seine romantische Komödie mit einigen Überraschungen auf.
Wenn Jacob (Jeroen van Koningsbrugge) seinen schwarzen Jaguar E-Type gefährlich nah an einer Steilküste parkt, kommt einem sofort Hal Ashbys Harold und Maude (1971) in den Sinn. Und das ist gar nicht so falsch, denn wie Harold ist auch Jacob ein Lebensmüder, der durch die Liebe neue Lebenslust entwickelt. Doch während Ashby seine Szene am Abgrund ganz ans Ende seines Films gesetzt hat, steht sie bei Mike van Diem weit vorn und bringt die eigentliche Handlung erst in Gang. Jacob wird Zeuge eines Auftragsmords der etwas anderen Art. Ein Angestellter der Firma Elysium schickt einen greisen Rollstuhlfahrer über die malerische Klippe. Also beschließt auch Jacob, seine letzte Reise bei Elysium zu buchen.

Die Gründe dafür liegen tief in Jacobs Vergangenheit. Denn eigentlich hat der reiche Spross einer Adelsfamilie alles, wovon andere nur zu träumen wagen. Doch weder sein Schloss samt angeschlossenen Ländereien noch sein Fuhrpark voll teurer Sportkarossen aus allen Epochen wollen ihm Befriedigung verschaffen. Jacob ist innerlich erkaltet, empfindet weder Freude noch Hass, lebt nur noch aus Anstand gegenüber seiner Mutter. Als diese das Zeitliche segnet, beschließt auch Jacob dem Diesseits adieu zu sagen. Erst die Begegnung mit Anne (Georgina Verbaan) taut den Multimillionär auf. Dumm nur, dass auch die hübsche Verkäuferin mit Faible für Buddhismus und Handlesen bei Elysium einen Trip ohne Wiederkehr gebucht hat.

Die Idee vom verhinderten Selbstmörder, der sein eigenes Ableben in Auftrag gibt, nur um es sich dann noch einmal anders zu überlegen, ist nicht neu. Zum einen basiert sie auf einer Kurzgeschichte des niederländischen Schriftstellers Herman Pieter Schönfeld Wichers alias Belcampo, die Mike van Diem bereits in den 1990ern verfilmen wollte, aber keine Rechte von Belcampos Erben erhielt. Zum anderen ist auch diese nur eine Variante von Jules Vernes Roman Die Leiden eines Chinesen in China, der als (lose) Adaption bereits mehrfach – von Robert Siodmak über Philippe de Broca bis Aki Kaurismäki – seinen Weg ins Kino fand.

Mike van Diem setzt die alte Geschichte dennoch so (er)frisch(end) um, dass sie locker mit ihren Vorläufern um die Wette rennt. In seinem Drehbuch stecken hinter jeder Ecke herrlich absurde, meist schwarzhumorige Einfälle, die Kameramann Rogier Stoffers mit viel Sinn für Symmetrie in kinotaugliche Bilder gießt. Jeroen van Koningsbrugge und Georgina Verbaan ergänzen sich in ihren konträren Spielweisen perfekt. Ersterer gibt Jacob so stoisch, dass alleine sein Gesichtsausdruck zum Lachen reizt. Letztere beeindruckt als Anne durch ihre Bandbreite, entwickelt sich vom grauen Mäuschen zur Draufgängerin, die Jacob die Schau stiehlt. An den melancholischen Charme von Ashbys Harold und Maude, die Überdrehtheit von de Brocas Die tollen Abenteuer des Monsieur L. oder die Lakonie von Kaurismäkis Vertrag mit meinem Killer reicht Surprise zwar nicht heran, in den großen Einheitsbrei der romantischen Komödien bringt van Diem mit seiner mörderischen Liebesgeschichte jedoch eine überraschende Würze.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/surprise