The Miseducation of Cameron Post (2018)

Gottes Versprechen und Teufels Beitrag

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

In verrückten Zeiten wie diesen, in denen christliche Fundamentalisten, Evangelikale und überhaupt der gesamte bigotte Konservatismus in den USA (und nicht nur dort) „fröhliche“ Urstände feiern, kommt ein Film wie "The Miseducation of Cameron Post" zur richtigen Zeit. Und ohne die Leistung des Films an sich schmälern zu wollen, ist es durchaus auch als ein Zeichen des politischen Widerstands zu lesen, dass Desiree Akhavans Film beim diesjährigen Festival in Sundance mit dem Grand Jury Prize ausgezeichnet wurde.

Der Film basiert auf dem 2012 erschienenen gleichnamigen Roman von Emily M. Danforth, der sich wiederum an realen Ereignissen orientiert, die in den USA im Jahre 2005 für eine breite öffentliche Diskussion sorgten: Damals hatte der Teenager Zach Stark von seinen Erlebnisse in einem Camp berichtet, in dem „gefährdete“ Jugendliche von ihrer „Neigung“ (gemeint ist ihre homosexuelle Orientierung) abgebracht und auf den „rechten Weg“ zurückgebracht werden sollten. 

Danforths Roman wie auch Akhavans filmische Adaption sind im ländlichen Montana der 1990er Jahre angesiedelt. Dort lebt Cameron Post (Chloë Grace Moretz) nach dem Unfalltod ihrer Eltern bei einer erzkonservativen Tante und besucht die örtliche High School. Beim Abschlussball wird sie durch einen dummen Zufall auf dem Rücksitz eines Autos erwischt, wie sie gerade mit ihrer besten Freundin Coley (Quinn Shephard) rummacht. Natürlich ist die Tante entsetzt über das „Fehlverhalten“ ihrer Nichte und schickt diese in ein Camp namens „God’s Promise“, wo ihr gemeinsam mit anderen Jugendlichen mit ähnlichen Neigungen unter dem Deckmantel des Christentums konservativer Prägung die Sünde ausgetrieben werden soll.

„SSA“ oder „Same Sex Attraction“ wird das hier in pathologisierender Absicht genannt und wie ein Eisberg, der hier als Metapher für die mannigfaltigen Gründe dieser „Krankheit“ steht, sollen die Jugendlichen all das identifizieren, was sie auf diesen „Irrweg“ gebracht hat. Geleitet wird die Einrichtung von dem von seiner Homosexualität „geheilten“ Reverend Rick (John Gallagher Jr.) und seiner Schwester Dr. Lydia Marsh (Jennifer Ehle), die ihre ganz eigenen Vorstellungen davon entwickelt haben, wie der Feind in sich selbst bekämpft werden muss – mit einer Mischung aus psychologischem Brainwashing und Manipulationen der perfidesten Art, die sich hinter dem freundlichen Antlitz der Gottzugewandtheit verbergen. 

Cameron freundet sich mit den beiden rebellischsten Teenagern an, die sich dort neben ihr befinden, Jane Fonda (Sasha Lane, die zuletzt in American Honey in der Hauptrolle zu sehen war) und Adam Red Eagle (Forrest Goodluck) – dieses Paar bildet sozusagen das Gegengewicht zu den beiden Leitern des Camps.

Trotz der Härte und Ungeheuerlichkeit, von denen The Miseducation of Cameron Post erzählt, ist der Film ein Werk der leisen Töne, der versteckten Botschaften und des zurückhaltenden Beobachtens. Die wahre Grausamkeit von Einrichtungen wie diesen, die sich immer noch einiger Beliebtheit erfreuen und deren Grundideen auch hierzulande gerade wieder in gewissen Kreisen einige Zustimmung erfahren, liegt nicht in ihrer offenen Brutalität, sondern in der Selbstverständlichkeit, mit der sie jungen Menschen ihrer verquere Weltsicht aufzwingen und ihnen damit das eigentliche Trauma zufügen. Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt war der Titel eines Films von Rosa von Praunheim – und genau das ist die eigentliche Botschaft von The Miseducation of Cameron Post. Dass sich Cameron, Jane und Adam am Ende selbst und ohne jede Hilfe von außen aus dieser Lage befreien können, ist ein starker Appell, das eigene Leben und das eigene Glück selbst in die Hände zu nehmen und solchen Ideologien niemals die Kontrolle darüber zu überlassen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-miseducation-of-cameron-post-2018