Teheran Tabu (2017)

Träume im Iran

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Als Filmland ist uns der Iran hier im Westen vor allem durch Abbas Kiarostami, Jafar Panahi sowie Mohnsen und Samira Makhmalbaf bekannt. Ihre Filme sind oft neorealistisch geprägt und entstehen unter den erschwerten Umständen, die das Regime ihnen auferlegt. Von Zensuren und Verboten bis hin zu Inhaftierungen, Berufsverboten und Hausarresten versucht der Staat immer wieder, seine KünstlerInnen im Zaum zu halten und vor allem zu kontrollieren, was nach außen dringt und wie das Land gezeigt wird.

Diese extremen Restriktionen hat Ali Soozandeh nicht, denn er lebt inzwischen in Deutschland. Sein Erstlingswerk Teheran Tabu ist daher eine ganz andere Art iranischer Film, das Werk zeigt Dinge, Menschen und Ereignisse, die seine KollegInnen in der Heimat sofort zum Tod verurteilen würden. Und so ist es auch für internationale, cinephile Augen ein Ereignis, erstmalig Drogen, Prostitution, Sex und Korruption in Teheran zu sehen. Doch Teheran Tabu ist mehr als das.

Im Kern geht es vor allem um drei Frauen, die in der völlig schizophrenen Welt des Iran irgendwie versuchen, sie selbst zu sein bzw. zu werden und sich ein wenig Freiheit zu erarbeiten. Und das in einem Regime, das hart bestraft, grundsätzlich sein Volk strengen und unterschiedlich interpretierbaren Gesetzen unterwirft und noch dazu ein extrem machtvolles Patriarchat pflegt, in dem eine Frau gar nichts zu sagen hat. Man muss nicht in Margaret Atwoods Dystopien wie The Handmaid’s Tale schauen, um die völlige Unterdrückung und Enteignung von Frauen zu sehen. Im Iran ist dies seit Jahrzehnten Teil des Systems. Doch darüber zu sprechen, die Abgründe dieser Gesellschaft zu zeigen, ist so tabu, dass selbst Ali Soozandeh zu einem Mittel greift, das irgendwie abstrahiert und weniger Realitätsnähe schafft. Sein Teheran Tabu ist animiert, mit echten SchauspielerInnen, die dann in Animationen umgewandelt werden und in animierten Settings die Geschichte erzählen. Sie zeigt das Schicksal von drei unterschiedlichen Frauen: Sara (Zahra Amir Ebrahimi) ist verheiratet, erwartet ein Kind und ist ansonsten zu Hause, um dem Schwiegervater zu pflegen und unter der Fuchtel ihrer Schwiegermutter zu stehen. Paris (Elmira Rafizadeh) Ehemann ist drogenabhängig und im Knast. Er weigert sich, sich scheiden zu lassen und bringt sie damit in eine missliche Lage, denn ohne die Unterschrift ihres Mannes kann sie fast nichts tun. Diese Not nutzt ein Richter aus und macht sie zu seiner Geliebten. Um genug Geld für ihren kleinen stummen Sohn Elias (Bilal Yasar) zu verdienen, prostituiert sie sich, wobei sie das Kind mitnehmen muss. Donya (Negar Mona Alizadeh) trifft Babak (Arash Marandi), einen jungen Musiker, in einer Disco, sie nehmen Drogen und haben Sex. Doch Donya heiratet demnächst und muss dann ihre Jungfräulichkeit vorweisen. Sie braucht dringend eine Operation, die ihr Hymen wiederherstellt, doch die ist teuer und Babak ist ein armer Student.

Alle drei Frauen sind oder geraten in eine missliche Lage, die aus einer Kleinigkeit entstanden ist, sie aber in existentielle Bedrängnis führt. Dabei macht Soozandeh ganz deutlich, wie groß die Doppelmoral doch eigentlich ist. Gleich in der ersten Szene lässt sich ein verheirateter Taxifahrer von Pari einen Blowjob geben, rastet dann aber völlig aus, als er sieht, wie seine Tochter auf der Straße mit einem Jungen Händchen hält. Saras Schwiegervater schaltet schnell auf den Kanal mit einer religiösen Predigt, damit seine Familie nicht sieht, dass er ansonsten Pornos schaut. Überhaupt ist Sex das treibende Mittel für einen Moment der Befreiung von der systematischen Unterdrückung. Sich mit Huren zu treffen, auf BDSM zu stehen oder völlig zugedröhnt in einer öffentlichen Toilette zu vögeln sind kleine Tabubrüche, die einerseits zur kurzen Individualität und Selbstverwirklichung getätigt werden, andererseits aber auch Unheil und oft hohe Kosten mit sich bringen. Doch Pari, Sara und Donya sind nicht nur Opfer des Systems, sie versuchen, es so gut wie möglich selbst zu nutzen und zu manipulieren, um sich wenigstens ein paar kleine Freiheiten und Momente der Emanzipation zu schaffen. Dabei bewegen sie sich in einer Gesellschaft mit doppelten Boden, in der Heuchelei, Verrat und Korruption an der Tagesordnung sind – ein Bild, dass der Staat Iran so garantiert nicht zeigen will.

Doch genau hier zeigt sich auch die Moderne und Vielfältigkeit des Landes, die im sonstigen iranischen Kino so niemals gezeigt werden können und deren Unterdrückung oft ein eigenartig keusches Zerrbild zeichnen muss. Doch auch im Iran wollen Menschen Sex, sie kiffen und gehen in Nachtclubs. Und auch hier träumen wie überall in dieser Welt viele von Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmung.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/teheran-tabu