The Returned (Staffel 1 & 2)

Zu schön, um tot zu sein

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Als Zombie hat man es wahrlich nicht leicht: Immer diese Vorurteile... Menschen fressen, seltsame Laute von sich geben, merkwürdig vor sich hin humpeln und Klamotten tragen, die man selbst auf dem nächsten Flohmarkt nicht mehr anpreisen möchte... Und wer obendrein noch eine gute Kosmetikerin kennt, ist klar im Vorteil: Denn hier geht es längst nicht mehr um einzelne Hautpartikel, die runzelig oder porös sind, sondern oft um ganze Körperpartien. Und dann noch dieser übel stinkenden Geruch! Gut, dass das Riechkino weiterhin noch in seinen Kinderschuhen steckt ...

Zugleich hinken sie filmhistorisch gesprochen beinahe schon von Beginn an durch die Kino- und Fernsehgeschichte – überaus beständig: Egal ob anfangs faszinierend-andersartig bei Jacques Tourneur (I walked with a zombie) oder später bluternst in George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten (im Original: Night of the Living Dead) bzw. auch in seinem Schocker Zombie (Orginaltitel: Dawn of the Dead), egal ob in jüngerer Zeit bei Danny Boyle (28 Days Later) oder gegenwärtig in der US-Serie The Walking Dead, die sich weiterhin über Rekordeinschaltquoten freuen kann und im wahrsten Sinne des Wortes nicht tot zu kriegen ist. Was ist nur dran an diesen seltsamen Zwischenwesen? Warum regen sie – scheinbar immer wie von selbst – die Phantasie der Zuschauer an? Und warum kann man eigentlich als Mensch (und Zuschauer) eine derart große Empathie zu diesen – nun ja: stinkenden – Untoten entwickeln?

Im Falle des französischen Exportschlagers The Returned (im Original: Les revenants), wiederum einer Serie, die es inzwischen sogar schon zu einem Remake in den USA gebracht hat, ist es zweifellos die urmenschlichste Komponente, sprich: Die Seele eines Wesens. Egal ob die Menschen nun wirklich tot, scheinbar tot, möglicherweise tot – oder auch nur innerlich tot sind: Es bleibt doch stets ein Rest an Humanität in ihnen stecken – selbst wenn sie zuvor in ihrem realen Leben beispielweise schon junge Frauen in Unterführungen mit dem Messer abgeschlachtet haben (wie Guillaume Gouix als Serge).

Denn zweifelsohne: Blutig, mysteriös und höchst ambivalent wird es eigentlich immer, so auch in The Returned, wenn Zombie-Gestalten auf der Leinwand erscheinen. Selbst wenn sie zum Teil sogar so unglaublich erotisch-verführerisch wie Ana Girardot (als Lucy) in dieser erstklassigen Mystery-Serie (in zwei Staffeln zu je acht Folgen) daherkommen, die StudioCanal nun in einer prächtigen Gesamtedition (mit ordentlichem, wenngleich nicht überirdischem Bonusmaterial als DVD- und Blu-ray-Box) veröffentlicht hat.

Ursprünglich fußt dieser immens soghafte Serien-Reigen unter der Regie von Fabrice Gobert und Frédéric Mermoud in der ersten und Frédéric Goupil (zusammen mit Fabrice Gobert als Co-Regisseur) in der zweiten Staffel auf dem gleichnamigen Film Les revenants, den Robin Campillo (120 BPM/Eastern Boys – Endstation Paris) 2004 für Canal+ realisiert hatte. In Deutschland lief The Returned 2014 zuerst auf dem Pay-TV-Kanal RTL Crime und kurz danach auch im WDR mit lediglich durchschnittlichen Quoten, ehe sie auf Einsfestival bzw. One ausgestrahlt wurde – dort leider ziemlich versandete – und somit ins Reich der toten Quoten abwanderte, um in der richtigen Sprache zu bleiben.

Was jedoch aus heutiger Sicht ziemlich erstaunt, da doch alleine schon Patrick Blossiers souveräne Bildgestaltung von der ersten Folge an dafür sorgt, dass sich sehr zügig ein großartiger Strudel entfacht, aus dem weder die Figuren noch die Zuschauer je wieder richtig auftauchen können. So scheint es zumindest: Denn vieles wird in dieser Zombies-sind-auch-nur-Menschen-Variante lediglich angedeutet, nur selten gibt es konkrete Rückblenden – dafür jede Menge Zeitsprünge, und wer tatsächlich tot ist (oder schon wieder lebendig oder es nie war), bleibt wenigstens in den ersten Folgen der ersten Staffel noch weitgehend nebulös.

Auffällig ist dagegen stets lediglich eine Komponente: Sie kehren wieder, ob es nun harsche Väter waren oder zickige Zwillingsschwestern, brutal Ermordete wie sehnsüchtig Geliebte oder einfach nur Schulkinder, die bei einem verheerenden Busunglück ums Leben kamen – und so unfreiwillig eine „Lücke, die der Teufel lässt“ (Alexander Kluge) im (Nach-)Leben ihrer trauernden Eltern geschaffen haben.

Das ist der dramaturgische Coup an diesen 16 hervorragend geschriebenen Drehbüchern, die Patrick Blossier – immerhin der langjährige Kameramann von Constantin Costa-Gavras, Agnès Varda oder Andrzej Żuławski – in wunderbar entrückte, vorwiegend blau-grau-stichige Mensch-Tier-Natur-Einstellungen übersetzt hat, die zusammen mit der Topographie von Annency – entfernt gelegen im Département Haute-Savoie – und der oft gezeigten Tignes-Talsperre, ein sehr einprägsames Serien-Setting ergeben.

Gemeinsam mit dem minimalistischen, ungemein fesselnden Score der experimentellen Postrocker Mogwai aus Glasgow sowie den zahlreichen, überaus gekonnt gesetzten Cliffhangern entsteht auf diese Weise eine durchaus ureuropäische, regelrecht kunstvoll gestaltete Serie, deren auffallend eigenständige Filmsprache jedoch weltweit verstanden wird und dadurch auch den globalen Siegeszug von The Returned untermauert: 2013 – mitten im Serienboom – ergatterte sie unter anderem einen International Emmy Award als beste Drama-Serie.

Obwohl das narrative Tempo grundsätzlich gediegen und manche Charaktere (wie zum Beispiel Anne Consigny als hysterisches Muttertier Claire) relativ eindimensional geraten sind, zeigen die beiden Regieteams in diesen 860 Minuten, die jederzeit faszinieren und am Ende ziemlich kurzweilig geraten sind, doch ihre ausgeprägte Stärke im elliptischen Erzählen, im Finten-Auslegen und Nicht-Beantworten. Zugleich vertrauen die Macher glücklicherweise der puren Macht der Bilder deutlich mehr als manch platter „Achtung-ich-erschrecke-dich-gleich“-Attitüde oder allzu stumpfsinnigen Schock-Effekten, die leider so oft und obendrein in so vielen US-Mystery-Serien auf Teufel komm raus auftauchen (müssen).

Ein weiterer Pluspunkt in diesem furiosen und gar nicht toten Seriengeschöpf ist schließlich noch die ausgezeichnete Besetzung: Alleine dem wunderbar doppeldeutigen Kindsgesicht Swann Nambotins (alias Victor bzw. Louis), dem heimlich unheimlichen Star dieser Serie, könnte man stundenlang zusehen – und damit gleichbedeutend „dem Tod bei der Arbeit“, frei nach Jean Cocteau. Als auffällig schweigsamer Wiedergänger, der leibhaftig der Kultur der schwarzen Romantik entstiegen sein könnte, hält er lange Zeit die Fäden in der Hand: Bis zum (wenig?) überraschenden Finale. Fortsetzung folgt? Hoffentlich – und zwar im Hier und Jetzt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/the-returned-staffel-1-2-gesamtedition