Eva (2018)

Im Paradies

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Am Anfang deutet vieles in diesem Film auf einen psychologischen Thriller hin: Eines Nachts war Bertrand (Gaspard Ulliel) in der Wohnung eines alten Schriftstellers, als dieser gestorben ist. Und Bertrand hat sein letztes Manuskript mitgenommen, ein Theaterstück namens Password, das niemand sonst kennt. Er gibt es als sein Stück aus und ist schon bald der neue Stern am französischen Theaterhimmel.

Doch nun wird ein weiteres Werk von ihm erwartet – von seinem Verleger, von seiner Freundin Caroline (Julia Roy) und von den Menschen um ihn herum. Also gibt Bertrand, der sich in seinem neuen, gut situierten Leben bequem eingerichtet hat, zunächst vor, an neuem Material zu arbeiten. Als er dann zufällig die Prostituierte Eva (Isabelle Huppert) trifft, fühlt er sich inspiriert – und will ein Stück über eine Prostituierte schreiben, die sich entgegen allen Erwartungen in einen Kunden verliebt. 

Aber Bertrand hat die Rechnung ohne Eva gemacht, die nicht nur sehr professionell ist, sondern auch kontrolliert und distanziert. Zusehends verfällt er ihr immer mehr – und hier könnte nun vieles beginnen: ein Spiel mit Wirklichkeit und Fiktion, ein Thriller über Liebeswahn und Abhängigkeiten, das Psychogramm zweier manipulativen Figuren. Allein, was genau Eva eigentlich erzählen will, bleibt ein Rätsel. Vielleicht waren sich die Drehbuchautoren Benoît Jacquot und Gilles Taurand ebenfalls nicht sicher, darauf deuten nicht nur die wirren Handlungsstränge und unausgereiften Charaktere hin, sondern auch die vielen Enden, die dieser Film hat, bevor er dann letztlich zum tatsächlichen Schlussbild kommt. 

Jacquot und Taurand haben mit Eva das gleichnamige Buch von James Hadley Chase adaptiert, eigentlich eine recht geradlinige Geschichte über einen Drehbuchautor, der seine Karriere einem Betrug verdankt und der dann der falschen Frau verfällt. Sicherlich ist von den Figuren auch hier noch ein Kern zu erkennen: Betrands Autorenkarriere basiert ebenfalls auf einer Täuschung und in Eva steckt eine femme fatale. Jedoch bleiben insbesondere bei Bertrand zu viele Leerstellen; immerhin suggeriert der Anfang, er sei ein privater Pfleger, der seinen Widerwillen bei seinen Klienten deutlich zum Ausdruck bringt, damit aber sein Geld verdient. Dann fällt ihm das Manuskript in den Schoß und er hat ein schönes Leben. Es können nur Langeweile und Hybris sein, die ihn überhaupt auf den Gedanken bringen, Eva könne sich in ihn verlieben. Denn Eva selbst gibt ihm keinerlei Anlass dazu. Sie arbeitet als Prostituierte, um Geld zu verdienen. Ihr Mann Georges (Marc Barbe) sitzt im Gefängnis, sie aber liebt ihn – und sagt das auch Bertrand gegenüber. Es entsteht niemals auch nur der Eindruck, Eva hätte keine Kontrolle über das Geschehen oder sei auch nur versucht, in Bertrand mehr zu sehen als einen zu manipulierenden und überaus eitlen Kunden. Vielleicht aber haben Bertrand die vielen Schmeicheleien aufgrund seines Erfolgs oder aber sein Narzissmus dazu gebracht, vielleicht steckt dahinter die gnadenlose Selbstüberschätzung eines Menschen, der glaubt, er hätte ein Anrecht auf Dinge, allein, weil es dabei um ihn geht. Hier hätte der Film einen interessanten Ansatzpunkt gehabt, aber er verliert sich stattdessen zusehends in Redundanz.

Das ist schade, weil sich in der Beziehung zwischen Eva und Betrand eine weitere Diskrepanz aufzeigt: Wenn Eva etwas sagt, klingt es treffend, genau und aufschlussreich, sobald Bertrand aber die Dialogzeilen auf seinem Computer niederschreibt, werden sie belanglos. Dieser Unterschied ist mit Abstand das spannendste an diesem Film, dem aber Jacquot auch nicht weiter nachforscht. Stattdessen suggeriert das Drehbuch, Bertrand würde die Kontrolle verlieren – obwohl er sie eigentlich niemals hatte – und mäandert zwischen den Figuren und Handlungssträngen hin und her: da sind Bertrand und Eva, da ist aber auch noch Bertrands Freundin, die ihn schon bewundert, aber wohl auch finanziert – und die mal als typisch dienende Frau dargestellt wird, die für den genialen Mann alles hintenanstellt und seine Launen erträgt, zugleich aber eifer- und kontrollsüchtig erscheint. 

Letztlich können auch die Schauspieler*innen dem schwachen Drehbuch nur wenig entgegensetzen. Isabelle Huppert spielt abermals kontrollierte Unterkühlte, sie ist spöttisch und spröde und darf dieses Mal auch wenig ordinär sein. Gaspard Ulliel hingegen fehlt das Charisma, um den unwiderstehlichen Betrüger zu geben, außerdem bleibt das hervorstechende Merkmal seiner Figur, dass sie eindimensional und unsympathisch ist. Aber es bereitet dennoch kein Vergnügen, ihm beim Scheitern zuzusehen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/eva-2018