Maria by Callas (2017)

Selbstporträt einer Künstlerin

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Auch 40 Jahre nach ihrem Tod ist Maria Callas noch immer die wichtigste Sopranistin des 20. Jahrhunderts. Ihre Stimme kennen selbst Menschen, die nicht eingefleischte OpernhörerInnen sind. Sie ist stark, fordernd, perfekt in jeder Stimmlage ihres drei Oktaven umfassenden Umfangs. „Die Tigerin“ wurde sie genannt, denn sie fauchte. Maria Callas war kein Kätzchen, kein Vögelchen, sie war im Gesang wie im Leben eine Gewalt. Genau dies brachte ihr schnell den Hass der Presse ein, die mit der Diva divina ein gefundenes Fressen hatte. Sie hat einen Auftritt abgesagt! Sie wurde von der Met rausgeschmissen! Sie lässt sich scheiden! Sie macht mit einem verheirateten Mann rum!

Es gibt viel zu erzählen über Maria Callas, doch Maria by Callas ist genau daran nicht interessiert. Dokumentarfilmemacher Tom Volf verfolgt vielmehr das Ziel, die Callas einmal über sich selbst berichten zu lassen. Ein hehres Ziel, wenn man mehr der Person und weniger der Persona begegnen will, deren öffentliches Bild doch stark von anderen geprägt war. Problem bei dieser Herangehensweise ist nur die Materiallage. Und diese ist bei Callas, wie sich im Verlaufe des Filmes alsbald herausstellt, nicht allzu üppig. 

Zentraler Angelpunkt der Erzählung ist ein Langinterview, das Callas im Fernsehen gab. Da war sie schon in ihren 40ern – die Diva sollte ja nur 53 Jahre alt werden – und in der Lage, besonnen über ihr Leben zu reflektieren. Und so beginnt Maria by Callas chronologisch am Anfang. Ein Anfang, der geprägt ist von einem abwesenden Vater und einer Mutter, die das Talent der Tochter erkennt und mit aller Härte fördert. Eine richtige Kindheit hatte die Callas nicht, dafür aber eine exzellente Ausbildung am Konservatorium in Athen und das prägende Erlebnis, in Griechenland den Zweiten Weltkrieg mitzuerleben. 

Schnell wurde Maria Callas nach dem Krieg zu einer gefragten Sängerin, denn selbst in jungen Jahren stimmte das Gesamtpaket. Nicht nur im Gesang, sondern auch in der Technik und im Schauspiel überragend, stürmte sie die Bühnen. Ihre Interpretationen gelten bis heute als die spektakulärsten, eindrücklichsten. Der Film ist ihrer niemals überdrüssig. Immer wieder hält er in seiner Erzählung inne, um minutenlange Aufnahmen der Callas beim Singen einzustreuen. Für Callas-Fans wird dies ein 12-Gänge-Menü, für Interessierte an der Frau hinter der Performerin zu einem Kniff, der sich mehr und mehr abnutzt und erkennen lässt, dass hier nicht nur geschwelgt wird, sondern auch ein bisschen Zeit geschunden.

Trotzdem, man muss Volf lassen, dass er herausholt, was zu holen ist. Langsam und in ihren eigenen Worten baut sich ein Bild einer Frau auf, die einerseits unglaublich emanzipiert, modern, weltoffen ist und andererseits das vollkommene Gegenteil. Die Frau Callas ist konservativ, zeit ihres Lebens sucht sie den einen Mann, an dessen Schulter sie sich anlehnen und für den sie Ehefrau und Mutter sein kann. Doch sie gerät an die falschen. Ihr Ehemann, der Opernmäzen Giovanni Meneghini, der sie gleichzeitig managt, ist an der Diva interessiert, an dem Ruhm und dem Geld, nicht an Maria. Der Liebhaber, den sie Jahrzehnte heimlich liebt, Aristoteles Onassis, heiratet irgendwann, ohne es Maria vorher zu sagen, Jackie Kennedy. Ihr Leben, so berichtet Callas immer wieder, ist nicht so gelaufen, wie sie es erhoffte. Es ist leer. Keine Kinder, keine wahre Liebe.

Doch, und das macht den Reiz dieser Frau aus, sie beschwert sich nicht, sondern wägt ab, wie viel ihr doch gegeben wurde und was sie mit ihrem Talent alles tun kann und konnte. Keine Spur von der Großspurigkeit, die ihr nachgesagt wurde. Vielmehr zeigt sich hier deutlich, wie genau sie als Künstlerin wusste, was sie wollte, und wie sehr sie nach Innovation suchte und sie auch forcierte. 

Genau diese Diskrepanz, diese zwei so unterschiedlichen Seelen sind es, die bei Maria by Callas den Wunsch erzeugen, mehr zu haben zu wollen. Mehr ihrer Worte, mehr Informationen. Vor allem mehr über ihre Idee von Kunst, ihr Selbstbild als Interpretin, ihre Ideen zu Oper und deren Schaffenskraft. Doch genau dies kann und wird nicht erfüllt werden. Das Material ist schlichtweg nicht vorhanden. Und so füllt der Film mit Gesang und dann doch mit all dem Klatsch und Tratsch die Lücken, die sich gebildet haben. Es zeigt sich, dass zu ihrer Zeit, in den 1950er bis1970er Jahren, schlichtweg niemand die Künstlerin selbst genug zu ihrer Kunst befragt hat. Dafür aber viel zu ihrem Liebesleben. 

Und so ist Maria by Callas auf einer Meta-Ebene dann doch auch ein formidables, weil frustrierendes Werk über die Idee des weiblichen Genius und dem Fehlen seiner (An)erkennung. Wenn man zum fünften Mal den Reporter nach ihrer Affäre fragen hört und sich in die Hand beißt, ob der vertanen Chance, hier etwas für die Ewigkeit festzuhalten, was ihr unglaubliches Talent komplimentiert, dann weiß man auch, wieso die Fragen nach dem Aussehen und der Liebe, die Künstlerinnen heutzutage noch immer erhalten, mehr sind als nur dämlich. Sie sind auch eine vertane Chance, Geschichte zu dokumentieren.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/maria-by-callas