Chaos im Netz (2018)

Ein Computervirus gegen die Angst

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Immer wieder dasselbe Spiel spielen? Das hat schon früher, 2012 in "Ralph reichts" nämlich, für die beiden Helden dieses Animationssequels aus dem Hause Disney nicht funktioniert. Ralph, der Hüne mit den Prankenhänden, war es schon damals leid, im Arcade-Spiel Fix It Felix Jr. immer den geächteten Kaputtmacher zu geben, damit der gute Felix alles wieder aufbauen konnte und dafür gefeiert wurde. Also rebellierte er irgendwann dagegen und schloss auf seiner Odyssee Freundschaft mit der kleinen aufmüpfigen Vanellope von Schweetz aus dem Spiel Sugar Rush. Er half mit, dass sie trotz ihres Glitchs, eines Programmierfehlers, der sie zur Außenseiterin des Rennspiels in zuckriger Landschaft machte, wieder in die Position der Top-Fahrerin gelangte.

Nun aber möchte Ralph, dass alles so bleibt, wie es ist. Er ist inzwischen ein angesehenes Mitglied seines Spiels, aber der quirligen Vanellope steht der Sinn nach Veränderung. Sie will nicht immer den gleichen Parcours fahren. Der gutmütige, aber leider sehr tollpatschige und im Denken schwerfällige Ralph ändert also kurzerhand ihren Parcours, was Vanellope zuerst gefällt, dann aber dazu führt, dass die Spielerin in Mr. Litwaks Spielhalle zu stark am Lenkrad reißt und es schließlich in der Hand hält… Für das alte Spiel gibt es keine Ersatzteile mehr, außer eines bei Ebay, aber Mr. Litwak beschließt, Sugar Rush abzuschalten! Vanellope ist untröstlich und Ralph, der sich schuldig fühlt, beschließt, mit ihr in dieses neue, geheimnisvolle Internet zu gehen, für das sich Mr. Litwak gerade einen Router besorgt hat, und das Ersatzlenkrad zu holen.

So beginnt ein ereignisreiches Abenteuer, das den beiden Spielfiguren allerhand ungeahnte Begegnungen beschert und auch ihrer Freundschaft einige Bewährungsproben abverlangt. Unter der Regie von Rich Moore, der schon Ralph reichts inszenierte, und Phil Johnston nimmt eine sehr amüsante Familienkomödie ihren Lauf, die zwei Hauptthemen auf pfiffige und ideenreiche Weise präsentiert. Zum einen bekommen die schillernden Möglichkeiten und Angebote des Internets – von der Auktionsplattform Ebay über die Alleswisser-Suchmaschine und die Video-Seite BuzzzTube bis hin zum bösen Darknet ein verblüffend einfach und klar gezeichnetes Gesicht. Der von der Kritik seinerzeit verrissene Emoji – Der Film von Sony Pictures Animation hätte hier in die Lehre gehen sollen, was die Darstellung der Online-Kommunikation, des Geschehens in den verschiedensten Programmen und Social-Media-Welten anbelangt.

Zum anderen bleibt die Handlung aber sehr personenzentriert. Ralph und seine Freundin Vanellope verfügen beide über ein loses Mundwerk und flotte Sprüche, sie reden Klartext und sagen jeder Süßlichkeit den Kampf an. Wieder einmal gelingt es diesem Disney-Film, dennoch eine ergreifende emotionale Beziehung zu schildern, in einer ständigen Gratwanderung zwischen Selbstironie, was die gefühlige Tradition des Hauses angeht, und Sinn für das, was Menschen bewegt.

Ralph und Vanellope gelangen ins Action-Rennspiel Slaughter Race und die Kleine findet in der Heldin Shank ein Vorbild und eine Mentorin. Sie möchte nun viel lieber zum Team dieses Spiels gehören als zu Sugar Rush, und beginnt, ganz in der Tradition der Disney-Prinzessinnen, von ihrem unschuldigen Traum zu singen. Das wirkt so berührend, so wahrhaftig, dass ihr die Herzen der Zuschauer nur so zufliegen – wären sie gerade online, würden die kleinen roten Symbole wohl förmlich auf die Spielfigur einprasseln. Auch Vanellope ist ja eine Prinzessin, und eine wunderbare Sequenz hat sie mit 14 anderen Disney-Prinzessinnen zusammengeführt – von Schneewittchen über Pocahontas bis zu Vaiana. Sie haben für ihre moderne, lässige Kleidung geschwärmt und ihr im Gegenzug verraten, dass Prinzessinnen ihre Träume zu singen pflegen.

Ralph geht ins Darknet, um einen Virus zu bestellen, weil er Angst hat, Vanellope zu verlieren – und setzt so eine Entwicklung in Gang, die den Filmtitel erklärt. Im Darknet wird es richtig gruselig und eklig mit dem Wurm-Koloss Double Dan und schließlich marschiert ein rosafarbener Monstervirus namens Ralph durch die Straßen der Megastadt Internet, um ihre Hochhäuser zu zerstören. In der Hand hält er dann Vanellope wie einst King Kong seine angebetete Menschenfrau. Das Design des Films ist ein einziges Vergnügen, mit dieser luziden Stadt und ihren Schwebebahnen, auf denen die Figuren wie Ralph und Vanellope und die Avatare der menschlichen Nutzer herumreisen von einer Webseite zur nächsten.

Genauso überzeugend aber ist der Witz der vielen großen und kleinen Einfälle rund um das Phänomen Internet und alles, was die Nutzer schon im Kindesalter darüber erfahren. Der Mann, der wie seine Suchmaschine Alleswisser heißt, vervollständigt beispielsweise die Wörter, die ihm Ralph und Vanellope sagen wollen und liegt dabei meistens falsch. Der Film gestattet sich gegenüber manchen Dingen in diesem Universum kritischen Biss. Er zeigt, wie verletzend gehässige und abfällige Kommentare in sozialen Medien wirken können. Ralph erfährt auch, wie kurzlebig Trends sind, wie schnell beliebte Videos ins Abseits geraten. Und eine superlustige Abspannszene nimmt die Dummheit aufs Korn, die so manchem Videogame für Kinder innewohnt.

Den flotten, fröhlichen Grundton der Geschichte und der zentralen Freundschaft von Ralph und Vanellope spiegelt der wunderbare Abspannsong Zero der Band Imagine Dragons. Er wird dabei aber auch der Wahrhaftigkeit der beiden Figuren gerecht, die sich so oft als nichtswürdig empfinden und dann doch ihren Weg machen, die keine strahlenden Helden sind, sondern straucheln, irren und umdenken und in allem so lebendig wirken.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/ralph-reichts-2