Alita: Battle Angel (2018)

Leider nicht unvergesslich

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Jahrelang schmorte die Leinwandadaption der von Yukito Kishiro konzipierten Manga-Serie Battle Angel Alita in der berüchtigten Entwicklungshölle Hollywoods. Schon vor beinahe zwei Dekaden zeigte der für das Science-Fiction-Genre prägende Kanadier James Cameron großes Interesse an einer Verfilmung des in einer fernen Zukunft spielenden Cyber-Punk-Stoffes, konnte im Zuge seines Avatar-Erfolgs und der damit anlaufenden Planungen für mehrere Fortsetzungen aber keine Zeit freischaufeln, um die Manga-Reihe als Regisseur zu betreuen.

Basierend auf einem von Cameron und Laeta Kalogridis (Shutter Island) verfassten Drehbuch hat diesen Job nun Sin City-Filmer Robert Rodriguez übernommen, der mit Alita: Battle Angel ein opulentes, durchaus ambitioniertes Dystopie-Spektakel vorlegt, dabei jedoch allzu oft in der Blockbuster-Beliebigkeit versinkt.

Eröffnet wird der SciFi-Streifen mit einem kleinen Gag, der dem Zuschauer eine zeitliche Orientierung an die Hand gibt. 26th (statt 20th) Century Fox ist da urplötzlich zu lesen, was nur für einen kurzen Moment verwundert. Immerhin spielt der Film im Jahr 2563, rund 300 Jahre nach einer verheerenden Katastrophe, die in der deutschen Synchronfassung als „großer Krieg“ firmiert. In der heruntergekommenen Iron City, einem Tummelplatz für arme Seelen aus allen Teilen der Welt, findet der Kybernetik-Experte Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) auf einem gigantischen Schrottplatz den Kopf eines weiblichen Cyborgs mit einem vollkommen funktionsfähigen Gehirn. Begeistert über seine Entdeckung, haucht der Arzt dem Wesen Leben ein, verpasst ihm einen neuen Körper und tauft die Schöpfung auf den Namen Alita (im Performance-Capture-Verfahren agierend und mit irritierend großen Kulleraugen versehen: Rosa Salazar).

Während Ido das Maschinenmädchen behutsam in die harsche Welt von Iron City einführt und es von allen Gefahren fernhalten will, entwickelt seine Ziehtochter schnell eigene Bedürfnisse und stellt sich immer häufiger die Frage, wer sie früher wohl gewesen sein mag. In den wuseligen Straßen lernt sie den sympathischen Hugo (Keean Johnson) kennen, der davon träumt, irgendwann einmal in die unerreichbar scheinende Himmelsstadt Zalem aufzusteigen, die über dem Moloch aus Stahl und Eisen schwebt. Sehr bald muss Alita erkennen, dass sie eine uralte Kampftechnik, die sogenannte „Panzer Kunst“, beherrscht, und steht unverhofft auf der Abschussliste finsterer Mächte, denen jedes Mittel recht ist, um sie auszuschalten. 

Die Manga-Adaption hat zweifellos das Potenzial für eine mitreißende Coming-of-Age- und Emanzipationsgeschichte, spielt ihre vielversprechenden Ansätze aber nie zufriedenstellend aus. Schon die Beziehung zwischen Alita und Ido fühlt sich seltsam unterentwickelt an. Obwohl Frankenstein-Bezüge aufscheinen, da der Roboter-Doktor den Cyborg als Ersatz für seine ermordete Tochter kreiert, und seine Fürsorge immer mal wieder übergriffige Züge annimmt, bleibt der Tüftler trotz einer geheimen Nebentätigkeit eine nette Vaterfigur ohne aufregende Ecken und Kanten. Ähnlich verhält es sich mit seiner Ex-Frau Chiren (Jennifer Connelly), die dem verschlagenen Geschäftsmann Vector (Mahershala Ali) zuarbeitet. Das Drehbuch erzählt über sie und Dyson von einem früheren Paar, das noch immer unter dem Tod seines Kindes leidet, schlägt daraus jedoch nur plakative und ungelenke Gefühlsmomente. Als Gegenspielerin Alitas bleibt Chiren eher blass und bekommt am Ende einen etwas erzwungen anmutenden Meinungsumschwung aufgebrummt. 

Ärgerlicher als diese Versäumnisse ist allerdings die Art und Weise, wie der Film die anfangs angestoßene, eigentlich spannende Identitätssuche der Titelheldin unterläuft. Ihre Reise zu sich selbst ploppt hier und da durch Erinnerungsfragmente auf. Mehr und mehr wird sie aber verdrängt von einer pathetischen Liebeswendung mit unfreiwillig komischen Dialogen, die die Anziehung zwischen Mensch und Cyborg nicht einmal im Ansatz derart klug verhandelt wie das packende Science-Fiction-Kammerspiel Ex Machina. Statt sich auf die Hauptfigur und ihre befreiende Entwicklung zu konzentrieren, lassen sich Rodriguez, Cameron und Kalogridis zu einer fragwürdigen, geradezu reaktionären Entscheidung verleiten. Plötzlich definiert sich Alita in erster Linie über einen Mann und ist im wahrsten Sinne des Wortes bereit, ihm ihr Herz zu geben. 

Während die einzelnen Rädchen der zerfahrenen, viele reizvolle Aspekte nur anreißenden Erzählung oft laut knirschend ineinandergreifen, kann Rodriguez mit einem beeindruckenden – wenn auch nicht bahnbrechenden – Szenenbild, spektakulären Cyborg-Kreaturen und einer Reihe dynamischer, nicht gerade zimperlicher Actionszenen auftrumpfen. Die hoch in den Himmel ragende Iron City, deren Schmelztiegel-Charakter zwar zu erkennen ist, in den tragenden Rollen aber vielleicht noch stärker hätte zum Ausdruck kommen können, präsentiert sich als wuchtiger, mit vielen Cyber-Punk-Elementen gespickter Wimmel-Ort fürs Auge. Neben der ersten Gefechtssequenz, in der Alita ihre besonderen Kampffähigkeiten entdeckt, und einer ausufernden Barprügelei sticht vor allem eine atemlose Jagd hervor, bei der die Hauptfigur dem in Iron City beliebten Motorball-Sport frönt und sich diversen auf sie angesetzten Killermaschinen erwehren muss. Bei aller Freude über die beachtlichen Schauwerte lässt sich Alita: Battle Angel wohl am besten mit einem zerfledderten Cyborg vergleichen. Irgendwie fehlen mehrere lebenswichtige Teile, um das Ganze zu einer rundum packenden, emotional und intellektuell anregenden SciFi-Erfahrung zu machen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/alita-battle-angel