A Star Is Born (2018)

Eigensinnige Sternkonstellation

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Bradley Coopers Regiedebüt "A Star is Born" ist eigentlich ein Remake des Klassikers "Ein Stern geht auf" von 1937. Doch Cooper rekapituliert hier nicht nur eine Geschichte, die so alt ist wie das Showbusiness selbst, sondern hat sich zusammen mit seinen Ko-Drehbuchautoren redlich bemüht, etwas Neues aus der alten Story zu holen. Etwas, das an die Jetzt-Zeit anknüpft und auch an den Star dieses Films selbst: Lady Gaga. 

Es war ein gewagtes Unterfangen, solch eine Geschichte noch einmal zu erzählen, so generisch erscheint sie auf den ersten Blick. Jackson Maine (Bradley Cooper) ist ein berühmter Countrysänger, der sich eines Nachts auf der Suche nach einem weiteren Drink in eine Drag-Bar verirrt. Dort singt Ally (Lady Gaga) La Vie en Rose und Jackson ist erstaunt über ihr Talent, ihre Ausstrahlung, aber auch ihren Sex-Appeal. Die beiden verbringen einen Abend zusammen, sie sprechen übers Musikmachen und Songschreiben und kommen sich näher. Am nächsten Tag nimmt Jackson Ally bei einem seiner Konzerte mit auf die Bühne und singt mit ihr einen ihrer selbst geschriebenen Songs. Ab da kommt es, wie es kommen musste: Die beiden werden ein Paar und Ally bekommt mehr und mehr Aufmerksamkeit, bis ihr ein eigener Vertrag angeboten wird.

Genau da kriselt es zum ersten Mal. Denn Jackson ist auf einem absteigenden Ast. Er hat einen Tinnitus, der ihm das Gehör raubt, und ein gehöriges Alkohol- und Drogenproblem. So sehr er sich für Ally freut, so schlecht kann er mit ihrem Erfolg umgehen, den er – wie soll’s auch anders sein – in noch mehr Alkohol und Drogen zu ertränken versucht.

Man kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, dass A Star is Born aus dieser ausgenudelten Erzählung irgendetwas Spannendes herauszuholen vermag. Aber es gelingt - und dies durch eine sehr überraschende Art und Weise. Die Retter des Generikums sind Cooper und Lady Gaga, die am Anfang des Filmes erstmal keine richtige Chemie miteinander haben wollen. Coopers Jackson Maine ist ein eher introvertierte Säufer, der wenig sagt und wenn, dann gemurmelt. Es fällt ihm schwer, Menschen auch nur in die Augen zu schauen. Gagas Ally wiederum ist eine Frau, die von Selbstzweifeln gebeutelt ist und im Umgang mit anderen nicht minder eckig und eigenartig ist. Kurzum: Beide sind kauzig, neurotisch und alles andere als die üblichen glatt geleckten Figuren in solch einem Film. Und unabhängig von den Eigenheiten verabschieden sich beide Figuren auch von einer Menge Genderklischees. Jackson ist nicht der Machotyp, sondern eher ein Mann, der seine Wunden kaum verbergen kann und dessen Weichheit positiv überrascht. Dadurch wird seine Figur zu einer der wenigen in diesem Subgenre des Musik- und Liebesfilms, mit der man sich auf mehr Ebenen als der des Liebhabers identifizieren kann. Auch als Mentor ist er eher zart und redet mehr über das Schreiben von Songs auf emotionaler und gar spiritueller Ebene als über alles andere. Und Ally? Bei allen Selbstzweifeln, die sie hat, ist sie keineswegs das zu einfach zu pflückende Blümchen am Wegesrand. Sie weiß eigentlich genau, was sie will. Und noch viel erfrischender: Sie weiß exakt, was sie nicht will! Weder von ihrem weltberühmten Freund noch von der großen Bühne und dem Starbusiness lässt sich die Frau verbiegen. Sie hat Geschäftssinn und kümmert sich um ihr Wohlergehen, statt wie sonst üblich im Wahnsinn des Musikgeschäfts unterzugehen. 

Und so erreichen beide Figuren, was den Musikteil des Filmes angeht, sehr schnell Einklang, der sie auf großen Bühnen in einer zärtlichen Blase aus Eigenheit und interessant knirschender Reibung zeigt. Sie sind, um eine Musikmetapher zu benutzen, eher atonal als harmonisch. Aber genau das macht das Ganze ja so interessant. Perfekt gestylte Menschen mit perfekten Stimmen und Songs gibt es schon zu Genüge. A Star is Born setzt hier auf authentische Andersartigkeit, die aber zu keiner Zeit konstruiert erscheint, sondern eher die Persönlichkeiten der HauptdarstellerInnen und auch deren echtes Leben zu extrapolieren scheint. Und so erwischt man sich schnell dabei, irritiert zu sein, dann aber dennoch dieses Neue, Eigene anzunehmen und gespannt zu verfolgen. Unterstrichen wird dies von Coopers Performance als Sänger. Es ist nicht seine größte Stärke, aber sein ehrliches Bemühen, zusammen mit den Originalsongs – viele von ihnen geschrieben von Willie Nelsons Sohn Lukas – vermögen eine Verletzlichkeit und Authentizität zu vermitteln, die sich überträgt und die man schätzen lernt. Die Bühnenszenen sind es auch, in denen der Film seine stärksten ästhetischen Momente hat. Die Kamera ist oft sehr nah am Geschehen, bewegt sich frei zwischen den Figuren und reagiert auf die Musik. Man ist nah dran und mittendrin. Das Licht ist gleißend, der Geräuschpegel ohrenbetäubend, die Emotionen so dick, dass man sie in der Luft zu spüren vermeint.

Problematischer wird es immer, wenn es um die Liebesbeziehung der Hauptfiguren geht. Auch hier sind beide sehr eigen und oft kantig. Das erinnert an Silver Linings, nur ohne die darunter liegende Aggression. Ihr Gefallen aneinander und ihre Verliebtheit kommen eher überraschend und erscheinen eine ganze Weile eher seltsam und konstruiert. Auch hier kommen die schon genannte Introvertiertheit und die vielfältigen Eigenheiten ins Spiel, die dem Paar einen ganz eigenen Zugang zueinander geben, den man als Publikum lange Zeit nicht ganz zu durchdringen vermag. Erschwerend kommt hinzu, dass vor allem beim Anbahnen der Beziehung mehrmals dysfunktionale und gar übergriffige Dinge passieren, die hier als Liebesbeweis ausgelegt werden. So verschafft sich Jackson beispielsweise Zutritt zu Allys Haus und sitzt auf ihrer Bettkante, als diese erwacht. Oder er zwingt sie mit Hilfe seines Fahrers zu einem seiner Konzerte.

Interessant und ebenfalls erstaunlich ehrlich wird es allerdings, als die Beziehung in eine Krise gerät. Hier spielen Jacksons offene Verletzlichkeit und Allys starker Willen einander perfekt in die Hand. Hier erst beginnt man ihrer Liebe und deren tiefe Verbindung Glauben zu schenken. 

A Star is Born ist ein eigentümlicher Film. Er knirscht und kracht und ächzt an vielen Stellen, nur um sich dann eine ganz eigene Bahn zu brechen und gegen Ende einen ganz eigenartigen, aber dafür eben faszinierenden Weg zu gehen. Nie wird ganz ausbuchstabiert, was im Raum steht, nie ganz erklärt. Vieles wird angedeutet, manches verliert sich, anderes findet genau deshalb den direkten Weg ins Herz. Es ist nicht Liebe auf den ersten Blick, sondern auf den zweiten oder vielleicht eher den fünften. Aber wenn man diesem polternden Werk Zeit gibt und seinen sehr eigensinnigen Kern erkennt, ist es schwer, es nicht zu mögen. 

Es ist durchaus möglich, dass dieser Film zu einer dieser seltenen Perlen werden wird, die stetig wachsen und wie einst Dirty Dancing eine ganze Generation in Sachen Liebe und Musik prägen wird. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/a-star-is-born