Monika Hauser - Ein Porträt (2016)

Eine bemerkenswerte Frau

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Im Herbst 1992 liest Monika Hauser von den unzähligen Frauen, die in Bosnien während des Krieges vergewaltigt wurden. Sie ist schockiert – über das Ausmaß der sexualisierten Gewalt und die Art, wie die Medien über die Frauen berichten. Es fühlte sich an, als würden sie ein zweites Mal Gewalt erfahren. Also beschließt Monika Hauser, vor Ort aktiv zu werden.

Sie reist ins Kriegsgebiet nach Bosnien und baut in Zenica ein erstes Zentrum auf, in dem Frauen einen sicheren Ort gefunden und medizinische wie psychologische Hilfe bekommen haben. Es ist der Beginn eines Engagements, das ihr zahlreiche Auszeichnungen eingebracht hat – und dennoch muss sie weiterhin dafür kämpfen, dass das Thema sexualisierte Kriegsgewalt gegen Frauen im öffentlichen Bewusstsein verankert wird.

Das filmische Porträt von Evi Oberkofler und Edith Eisenstecken beginnt ebenfalls in Bosnien. Aufnahmen von zerschossenen Häusern sind zu sehen, auf der Tonspur erklingen Schüsse, ein Zitat wird eingeblendet: „Jeder Krieg ist immer auch ein Krieg gegen Frauen“. Danach folgen O-Töne und Talking Heads zu Monika Hausers Anfängen in Bosnien. Schon hier klingt an, was sich ein wenig zu einem weiteren Thema des Films entwickeln wird: Es sind weit überwiegend Frauen, die sich für Frauen und Frauenrechte engagieren. Das ist gleichermaßen ernüchternd wie inspirierend: Zeigt es doch, dass das Thema weiterhin als geschlechtsspezifisch gesehen wird – und wie viel Frauen schaffen können, wenn sie zusammenhalten und -arbeiten.

Lange Zeit bleibt der Film in Bosnien, von einer Konferenz wird ausführlich berichtet – und hierdurch flacht der erzählerische Bogen ein wenig ab: Es kommen andere Expertinnen auf dieser Konferenz zu Wort, die immer wieder das Engagement und die Bedeutung von Monika Hauser hervorheben. Interessanter wäre es indes gewesen, früher auf die langfristigen Folgen der Traumatisierungen zu kommen. Denn auch über 20 Jahre später ist in Bosnien die Kriegsgewalt gegen Frauen kein Thema in der Gesellschaft. Dabei leiden die Frauen noch heute unter der erlittenen Gewalt – und insbesondere diejenigen, die damals schwanger wurden, mussten damals eine Wahl treffen, bei der es keine gute Lösung gab: Adoption, Abtreibung oder das Kind bekommen stellte die Familie gleichermaßen vor eine immense Herausforderung. Oder wie es Monika Hauser ausdrückt: „Frauen können sich nur falsch entscheiden“.

Der Film arbeitet sehr gut heraus, welche Rolle Vergewaltigung als Kriegswaffe spielt. Es geht dabei um Einschüchterung, um Macht, darum, Frauen mundtot zu machen. Und damit unterscheidet sich die Situation in Bosnien nicht von anderen Kriegsgebieten – und entstehen Verbindungen zu den Erfahrungen, die Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa gemacht haben.

Hier schlägt der Film dann auch den Bogen zu Monika Hausers Biografie. Ihre Eltern haben Südtirol verlassen und sind in die Schweiz gegangen, dort wurde sie im Mai 1959 auch geboren. Während der Sommerferien in Südtirol erfuhr sie von ihrer Großmutter, dass diese selbst Gewalt erfahren hat und begegnete so der familiären Gewaltgeschichte. Auch das hat dazu beigetragen, dass sie Medizin studiert hat. Dabei stieß sie immer wieder während ihrer Ausbildung und auch ihrer Arbeit als Gynäkologin an verschiedenen Krankenhäusern auf patriarchale Strukturen, die sich bis in die Behandlung von Frauen durchfärbten. Ob Dorfkrankenhaus oder Universitätsklinikum: Frauen wurde nicht geglaubt, auch wenn es um ihre Körper ging. Das ist ein Thema, das weiterhin ungeheuer aktuell ist – dazu muss man nur einmal auf die jüngsten Debatten um den Paragrafen 219a schauen.

Insgesamt setzt Monika Hauser – Ein Porträt sehr auf Gespräche mit der Porträtierten, die ergänzt werden von Interviews mit Frauen, die mit Monika Hauser gearbeitet haben oder ihr begegnet sind. Dazwischen gibt es in der ersten Hälfte immer wieder schwarz-weiße, verfremdend-animierte Zwischensequenzen, in denen schemenhaft Personen zu sehen sind und Zitate von Frauen eingeblendet werden, die Gewalt erfahren haben, oder dann in der zweiten Hälfte verstärkt von Musik untermalte Landschaftsaufnahmen. Das ist bisweilen recht einfach. Aber: Gerade in der zweiten Hälfte wird nochmals sehr deutlich, dass Gewalt klassen- und landesunabhängig ist, es dabei immer um Macht und Unterdrückung geht und dass Frauen weiterhin nur schwer darüber sprechen können, aus der Angst vor Stigmatisierung. Aber wenn Frauen zusammenarbeiten und diese Netzwerke schaffen, dann können sie etwas verändern. Und das ist letztlich die große Erkenntnis dieses Dokumentarfilms. Wenngleich also gerade bei dem Thema Frauenrechte oder auch Vergewaltigung als Kriegswaffe noch viel zu tun ist: Dieser Film zeigt, wie sich Dinge ändern können.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/monika-hauser