Love, Simon (2018)

Highschool-Liebeskitsch für Alle!

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Sache mit der Gleichberechtigung und Repräsentationspolitik im Kino ist doch die: Alle Menschen verdienen es, Filme zu bekommen, die sie repräsentieren. Und Love, Simon schenkt uns allen endlich eine schwule Liebesgeschichte im Highschool-Coming-of-Age-Gewand. Das ist eine kleine Revolution in sich. Denn hier haben wir erstmals einen Film, der kein Drama aus dem Schwulsein macht, sondern sich einfach um das grundsätzliche Drama einer schwulen Pubertät kümmert.

Simon (Nick Robinson) ist niedlich, etwas schüchtern und hat eine kleine Gruppe von Freunden. Seine beste Freundin Leah (Katherine Langford) kennt er schon seit dem Kindergarten. Sie ist obsessive Verfolgerin eines kleinen Blogs, auf dem die SchülerInnen der Highschool, in die sie beide gehen, Geheimnisse und Geständnisse veröffentlichen. Und so ist es Leah, die Simon eines Tages von einem Posting von „Blue“ erzählt, der von sich erzählt, dass er schwul ist und es keiner weiß. Und dass genau das ihn sehr einsam macht. Simon geht es genauso. Niemand weiß, dass auch er schwul ist. Und so schreibt Simon an Blue und zwischen den beiden entstehen zarte Bande von Freundschaft und mehr.

Diese Mails entdeckt eines Tages der Klassenclown Martin (Logan Miller), der Simon erpresst. Er will mit Simons anderer Freundin Abby (Alexandra Ship) zusammenkommen und wenn Simon ihm nicht hilft, outet er ihn vor der gesamten Schule. Und so ist Simon in einer verqueren Situation gefangen, in der er seine besten Freunde verrät, weil die Angst vor dem Coming-out zu groß ist. Doch als Martin sich einen Korb von Abby einfängt, outet er Simon aus Rache. Und der muss nun damit klarkommen – keine leichte Sache, vor allem weil seine Freunde sauer auf ihn sind, nachdem sie sein doppeltes Spiel bemerkt haben.

Der Film spielt die klassischen drei Akte der Emanzipation durch. Zuerst zeigt sich Simon in einer integrierten Umgebung, die erschüttert wird durch die Ankunft von Blue, der seine Sexualität und sein Begehren nun endgültig weckt. Dann folgt das Zerbersten der Kindheit und der schmerzhafte Übergang zu etwas Neuem. So weit, so alt. Allerdings mit einem Unterschied.

Was in der Wirklichkeit dramatische und potentiell suizidale Folgen haben könnte, verarbeitet Love, Simon hier in einer klassischen Teenie-Dramödie, die seine Hauptfigur durch sehr turbulente Zeiten begleitet, die aber zu keiner Zeit fatale Folgen haben, obgleich nicht ignoriert wird, dass ein Zwangsouting massive psychische Verletzungen mit sich bringt. Doch ansonsten sind Simon und seine heile Vorstadt-Welt zu keiner Zeit in Gefahr. Es gibt genug Freunde, seine Welt wird bevölkert von anderen queeren Kids, von für die Diversity-Quote genügend nicht-weißen Teenagern und sogar seine Eltern sind liberal und verständnisvoll, ja, seine kleine Schwester ist sogar schon prädestiniert, die beste heterosexuelle Freundin zu werden. Cupcakes inklusive.

Das mag wahrlich nicht viel mit der Realität zu tun haben, aber genau das ist auch das Wichtige und Wunderbare an diesem Film. Denn endlich wird aus dem Schwulsein kein tödliches Drama gemacht, sondern der Film entwirft eine Fantasie, in die sich so mancher Teenie (und auch Erwachsene) flüchten kann und aus der er oder sie auch Mut schöpfen kann, ganz einfach, weil es zur Abwechslung eine Repräsentationsfigur gibt, die vorlebt, dass man eben überlebt. Und dass man nicht allein ist. Love, Simon ist der kitschige Film zur It gets better-Kampagne, die gezuckerte, amerikanisierte Form vom Teenie-Film, die dann doch das Potential hat, das queere Leben ein wenig leichter und besser zu machen. Es ist der rosa-glitzernde Balsam für die Seele. Gutmütige, einfach gestrickte Unterhaltung. 

Aber gerade das Generische, dem Genre vollkommen und in jeder Regel folgend, erzeugt hier noch einen anderen spannenden Effekt: Die unendliche Durchschnittlichkeit mit ihren vorhersehbaren Geschichten, den klischierten Figuren und der unfassbar perfekt polierten amerikanischen Vorstadt-Idylle schaffen eine zu erwartende Heimeligkeit, in der die eine einzige Devianz – das Schwulsein – auch und vor allem für ein heterosexuelles Publikum auf eine Art aufbereitet wird, die in allen Grundzügen bekannt ist und als harmlos wahrgenommen wird. Dadurch setzt Love, Simon an, durch klassische Rom-Com-Verbindungen trotz allem kitschigen Bla-Bla eine der Hauptaufgaben des Kinos zu erfüllen: Empathie zu erzeugen und zwischen den verschiedenen Lebenswelten zu vermitteln. Ist es traurig, dass man so etwas im Jahr 2018 braucht? Absolut. Aber so ist das eben mit der Gleichberechtigung. Sie bedeutet auch, endlich mittelmäßiges Kitschkino zu bekommen, in dem man als queerer Mensch vertreten ist. In diesem Sinne ein Hallelujah für Love, Simon!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/love-simon