Trust Who (2017)

Trau schau wem

Im Jahre 2009 verunsicherten immer neue mediale Schreckensmeldungen über die „Schweinegrippe“ (oder etwas weniger reißerisch, aber nicht minder besorgniserregend H1N1-Pandemie) die Menschen weltweit. Und da sogar die Weltgesundheitsorganisation WHO Alarm schlug, konnte man bisweilen den Eindruck gewinnen, dass eine globale Seuche ungeheuren Ausmaßes bevorstand mit angeblich bis zu 2 Milliarden Infizierten.

Zumal die Institution mit Sitz in Genf zu diesem Ereignis die höchste Epidemie Warnstufe 6 ausgerufen hatte – allerdings, wie erst später bekannt wurde, waren zu diesem Zwecke die eigenen Kriterien kräftig nach unten gesetzt worden, während die alten Guidelines zur gleichen Zeit wie durch Zauberhand von der Website der WHO verschwanden. Zudem hatte es Geheimverträge zwischen Ländern wie Deutschland, Frankreich; Großbritannien und Italien sowie Pharmaunternehmen gegeben, in denen sich die Staaten dazu verpflichtet hatten, Impfstoffe gegen den Erreger einzukaufen. Freilich waren die Verträge an die Bedingung geknüpft, dass zuvor die WHO die Pandemie-Stufe 6 erklärt hatte. Was ja prompt auch geschehen war. Und man muss wahrlich kein Schuft sein, um darin ein gigantisches System der Selbstbedienung und der Begünstigung zu sehen.

Auch die Filmemacherin Lilian Franck (Pianomania), die damals gerade schwanger gewesen war, gehörte 2009 zu den Alarmierten. Doch als sich die Epidemie als vergleichsweise moderat erwies und zudem der Verdacht die Runde machte, Lobbyisten aus dem Bereich der Pharma- und Impfstoffproduzenten könnten hinter dem Aufbauschen stecken, kam ihr die Idee zu einem Film über die WHO. 

Im Laufe ihres Filmes hat Lilian Franck zahlreiche Gesprächspartner gefunden; es sind kritische Journalisten ebenso wie Mitarbeiter der WHO, Whistleblower und Lobbyisten, Politiker und Skeptiker der Organisation, die je nach Haltung und Interessenslage (oder -konflikt) kommentieren oder abwiegeln, Materialien herausrücken oder plötzlich von Wissenslücken befallen werden oder gar nicht erst ein Gespräch zulassen.

Je länger man Franck auf ihrer Spurensuche folgt, desto mehr verdichtet sich der Eindruck, dass die Weltgesundheitsorganisation nicht nur ein labyrinthisch verzweigter kafkaesker Albtraum ist, sondern auch ein Spielball zwischen den Interessen der Konzerne und Einflüsterer. Zumal Lilian Franck mit der Akribie und Genauigkeit einer Investigativjournalistin vorgeht. 

Bei allem Detailreichtum ist Trust WHO aber dennoch ein wenig unrund geraten – und das liegt vor allem an der Rolle, die die Filmemacherin sich selbst zugedacht hat. Leider ist der selbst eingesprochene Off-Kommentar etwas gewöhnungsbedürftig geraten, man merkt Lilian Franck an, dass sie keine professionelle Sprecherausbildung genossen hat. Außerdem ist sie als Fragestellerin sehr häufig im Bild zu sehen.

Sicherlich verstärkt die Entscheidung, die Geschichte selbst zu erzählen, und dabei ihre Schwangerschaft als Ausgangspunkt zu nehmen, den Eindruck, dass die Filmemacherin ihr Anliegen ganz persönlich (in die Hand) genommen hat. Aber es finden sich beispielsweise – abgesehen von dem anfänglichen Ausflug in die Ursprünge der WHO und deren Gründung im Jahre 1948 – keine Hinweise auf die Verdienste der Organisation. Und soviel auch im Argen liegen mag bei der WHO – wer wird daran nach diesem Film noch zweifeln? – etwas mehr Ausgewogenheit hätten dem hehren Anliegen nicht geschadet.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/trust-who