High Society: Gegensätze ziehen sich an (2017)

Tausche Dünkel gegen Frust im Plattenbau

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zwei junge Berlinerinnen, die in sehr verschiedenen sozialen Milieus aufgewachsen sind, stellen fest, dass sie nach der Geburt vertauscht wurden. Aura Schlonz (Caro Cult) kann ihr Glück kaum fassen, fortan an der Seite ihrer neuen Mutter Trixi von Schlacht (Iris Berben) Benefizpartys eröffnen und endlos shoppen zu dürfen. Die verwöhnte Anabel von Schlacht (Emilia Schüle) hingegen, die von Trixi plötzlich kaum mehr beachtet wird, zieht eher gekränkt als aus Überzeugung in die Plattenbauwohnung ihrer neuen Mutter Carmen Schlonz (Katja Riemann). Das Thema Familien- und Milieutausch lässt eine witzige Komödie erwarten, und tatsächlich bereitet das übermütige Spiel mit Klischees, das Regisseurin und Drehbuchautorin Anika Decker (Traumfrauen) veranstaltet, Vergnügen.

Am schönsten vertreten die beiden ungleichen Mütter diese sozialen Klischees, die hier so lustvoll durch den Kakao gezogen werden. Iris Berben spielt die oberflächlich-abgehobene Industriellengattin, die gerne als Wohltäterin berühmt werden will, wunderbar karikierend und zugleich beseelt. Es ist köstlich, wie sie laut darüber grübelt, ob sie nun lieber für Delfine oder für Flüchtlinge spenden soll. Katja Riemann sieht als Supermarktkassiererin Carmen mit blonder Ponyfrisur immer ein wenig frustriert und schlecht gelaunt aus. Diese Figur bezieht ihren besonderen Reiz daraus, dass sie nicht ganz dem Klischee eines proletenhaften, ungebildeten Underdogs entspricht. Denn Carmen ist ein Späthippie mit Indien- und Tantrasex-Erfahrung. Sie bezeichnet sich als Buddhistin, nimmt an Protestaktionen gegen die Ausbeutung von Tieren teil und klärt die Kunden an der Kasse darüber auf, dass sie schädliche oder minderwertige Produkte kaufen. Es ist sehr spaßig, diesen beiden Frauen im ständigen Wechsel beim Entfalten ihrer Egozentrik zuzuschauen.

Die eigentlichen Hauptpersonen sollen aber die beiden Töchter sein. Die Handlung kreist vor allem um Anabel, die mit Auras Freund, dem Polizisten Yann (Jannis Niewöhner), einen streitlustigen Flirt beginnt. In diesem jungen Mann findet Anabel einen verbalen Gegner, aber auch Freund und Helfer, der ihr in Schlagfertigkeit und Ironie nicht nachsteht. Die Dialoge sind oftmals sehr pointiert, zum Beispiel wenn die jobsuchende Anabel ungläubig fragt, was der Witz an einem unbezahlten Praktikum sei. Oder wenn sie in der Blockwohnung ihrer neuen Familie erklärt, sie wolle jetzt „nach oben“ gehen.

Doch Emilia Schüle und Jannis Niewöhner müssen sich zu sehr auf die Funktion gutaussehender Sprücheklopfer beschränken. Die Jungschauspieler sind im Moment in der deutschen Filmlandschaft sehr präsent, ebenso wie Jannik Schümann, der hier die Nebenrolle von Trixis schnöseligem Sohn Albrecht spielt. Erst kürzlich stand dieses Darstellertrio in Jugend ohne Gott vor der Kamera. Mit ihm buhlt nun auch dieser Film erkennbar um die Gunst des jungen Publikums, ohne jedoch den betreffenden Rollen viel Spielraum bei ihren Interaktionen einzuräumen. Anabel und Yann sorgen als Pärchen zwar für beschwingte Dynamik, aber emotionale Authentizität oder gar Tiefe sind nicht wirklich gefragt. Vielmehr nimmt die Handlung bald einen sehr konventionellen Verlauf. Immer im Fluss, klappert sie en passant, sozusagen als Appetithäppchen, verschiedene, bereits anderweitig eingeführte Themen ab, um sie komödiantisch auszuschlachten. So wird die stylische Fusionküche mit Spott überzogen und auch eine Fifty Shades of Grey-Persiflage darf nicht fehlen. Gerade diese gerät aber ausgesprochen lahm und uninspiriert.

Insgesamt hätte Deckers Komödie noch viel mehr aus der reizvollen Grundidee machen können, denn es fehlt das gewisse Quäntchen Originalität und Verrücktheit. So reicht es letztlich nur für durchschnittliche Unterhaltungskost, die aber im Großen und Ganzen kurzweilig und ansprechend geraten ist.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/high-society