Hostile (2017)

Die Schönheit dazwischen

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die Klammer, die Mathieu Turis Langfilmdebüt Hostile zusammenhält, ist ein Knall. Juliette (Brittany Ashworth) feuert aus ein und demselben Revolver. Ganz am Anfang verhilft ihr der Schuss zur Flucht, zum Schluss ist sie endlich angekommen, bringt die letzte Kugel Erlösung aus einer Welt, aus der jede Menschlichkeit verschwunden scheint. Wie es dazu kam, erzählt Mathieu Turi auf zwei Zeitebenen, von denen die vergangene den weitaus größeren Raum beansprucht.

Wir begegnen Juliette in einer Steinwüste, durch die sie mit einem Geländewagen prescht. Dessen vergitterte Fenster lassen erahnen, dass sich hier noch etwas anderes herumtreibt. Der Staub wirbelt, die Sonne sengt. Hinter einem Ortsschild erheben sich die Ruinen einer Stadt. Doch auch weit draußen, an einer verlassenen Raststätte, sind die Regale und die Tanks der Autowracks leer. In diesem sandfarbenen Meer ist Juliettes leuchtend blaues Halstuch der einzige Farbfleck, gegen den selbst der Himmel verblasst. Mehr benötigt Mathieu Turi nicht, um die Postapokalypse zu skizzieren. Als seine Protagonistin vom Weg abkommt, wird aus dem Roadmovie ein Kammerspiel. Juliettes Bein ist gebrochen, ihr Auto Schrott, die Fahrerkabine der letzte Rückzugsort vor dem, was draußen lauert. Mit der Dunkelheit kommen die Erinnerungen und Hostile verliert an Souveränität.

Der Blick zurück ist nur anfangs ein wacher. Da zeigt uns Turi eine aufgeweckte junge Frau, die sich dreist und ohne Kunstverstand in eine Vernissage stiehlt. Der New Yorker Regen und der Hunger haben sie hineingetrieben. Der Flirt mit Galerist Jack (Grégory Fitoussi) hält sie ein wenig länger drinnen. Gemeinsam stehen die beiden vor Francis Bacons Portrait of Michel Leiris und Jack erklärt Juliette, welche Schönheit zwischen den Schichten des zu einer Fratze verzerrten Gesichts liege, wenn sie nur genau genug hinsehe. In dieser Szene wiederum liegt der Schlüssel zum Verständnis des Films. Danach mischt Turi unter die lockere Liebelei, die sich ebenso ansehnlich wie verspielt anlässt, zu viel in Formeln erstarrtes Drama um harte Drogen. Aus der kecken jungen Frau wird eine Jungfrau in Nöten, die Jack errettet, indem er ihre Verletzlichkeit ausnutzt. Das ist zwar jederzeit schön anzusehen, bringt die Hauptdarsteller aber an ihre schauspielerischen Grenzen und wirkt recht schnell ermüdend.

Die kurzen Unterbrechungen, wenn Turi in die lebensfeindliche Gegenwart seiner Protagonistin zurückkehrt und mit ihr die Nacht über ausharrt, beweisen, dass der noch junge Regisseur sein Handwerk beherrscht. Wie er mit dem Rot und Weiß der Heck- und Frontscheinwerfer des Unfallwagens Lichtstimmungen setzt, die Kamera bewegt, in den richtigen Momenten schneidet und Einstellungen wählt, die sein Monster lange nicht vollkommen enthüllen, ist bemerkenswert. Vieles davon hat sich der 1987 geborene Franzose wohl als Regieassistent bei Quentin Tarantino, Guy Ritchie oder Luc Besson abgeschaut. Für die romantschen Rückblenden hätte er am Set von Woody Allens Magic in the Moonlight noch etwas genauer hinsehen sollen. Letztlich liegt auch bei Turis Debüt die Schönheit dazwischen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/hostile