The Secret Man (2017)

Der Unbestechliche

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Dem FBI hat Mark Felt (Liam Neeson) sein Leben verschrieben. Er ist überzeugt davon, dass das FBI eine der Säulen ist, die die USA tragen. Deshalb ist ihm die Unangreifbarkeit und Unabhängigkeit der Behörde wichtiger als alles andere. Doch nun stirbt der Mann, der diese Unabhängigkeit garantiert hat: J. Edgar Hoovers Tod gibt Präsident Nixon die Gelegenheit, einen neuen Leiter der Behörde zu bestimmen. Und es wird nicht Mark Felt, Hoovers treuer Stellvertreter, der gemäß dessen Anweisungen bei Eintritt der Todesnachricht sofort die Vernichtung von Hoovers Privatakten veranlasst hat, damit sie nicht der Regierung in die Hände fallen, die sehr schnell beim FBI mit einer entsprechenden Absicht auftaucht. Stattdessen setzt Nixon eine Mann von außen als kommissarischen Leiter ein: L. Patrick Gray (Marton Csokas), ehemaliger Soldat der Navy und ein Mann Nixons. Mit ihm will Nixon die Kontrolle über das FBI gewinnen. Und das will Mark Felt um jeden Preis verhindern.

Gleich zu Beginn setzt Peter Landesman in The Secret Man – der Verfilmung von Mark Felts Buch – auf diese entscheidenden Ereignisse in Mark Felts Leben. Dabei etabliert er ihn mit einer der besten Szenen des gesamten Films am Anfang als unbestechlichen und loyalen Mann: Mark Felt wird von Nixons Rechtsberater John Dean (Michael C. Hall) gefragt, was sie tun müssten, um Hoover loszuwerden. Sie suggerieren damit, dass sie ihn unterstützen würden, sofern er ihnen hilft. Aber Deputy Associate Director Felt antwortet mit einem diplomatischen Statement – und schließt einen Verweis auf den Umgang des FBI mit Hoovers Privatarchiv an, in dem viele sensible Daten über außerehelichen Affären und mehr enthalten sind. Sie gehen alle über seinen Tisch, ehe sie zu Hoover kommen. Und damit wissen Nixons Leute, dass sie auch vor ihm Angst haben sollten. Doch mit Hoovers Tod wird auch Mark Felts Position geschwächt. Er war in Hoovers Behörde nun einmal der Aufrechte, der sich seine Hände nur so schmutzig wie nötig machte. Und es gibt in Washington viele Männer wie Ex-FBI-Agent Bill Sullivan (Tim Sizemore), die nur auf Hoovers Ableben gewartet haben, um diese lästige Behörde zu reformieren.

Nur einen Monat nach Hoovers Tod folgt das zweite Ereignis, das das FBI und die USA für immer verändern wird: In der Nacht zum 17. Juni 1972 werden fünf Einbrecher im Watergate-Gebäudekomplex verhaftet, die versucht hatten, Wanzen im Hauptquartier der Demokratischen Partei zu installieren und Dokumente zu fotografieren. Schnell wurde ermittelt, dass diese Männer nicht nur Verbindungen zur CIA und zum FBI hatten, sondern auch in Verbindung zum Wiederwahlkommitee des Präsidenten standen. Die Presse sollte über ein Jahr brauchen, um alle Puzzlestücke nach und nach zusammenzusetzen. Mark Felt aber erkannte sehr schnell, dass das bis dahin Undenkbare wahrscheinlich ist: Diese kriminellen Aktivitäten wurden vom Weißen Haus aus koordiniert. Fortan versuchen der Justizminister, der Attorney General, das Weiße Haus alles, um die Ermittlungen des FBI so schnell wie möglich an sich zu reißen und zu beenden. Aber nicht mit Mark Felt: Er wendet sich an Journalisten. Er wird zu Deep Throat, einem der wichtigsten Informanten der Washington Post in ihrer Berichterstattung zur Watergate-Affäre.

Ob Mark Felt aus persönlicher Enttäuschung über die entgangene Beförderung oder ausschließlich zur Sicherung der Unabhängigkeit des FBI gehandelt hat, lässt The Secret Man klugerweise offen. Leider aber gelingt es dem Film nicht, eine wirklich packende Geschichte zu erzählen. Dazu trägt vor allem bei, dass sich das Drehbuch kaum entscheiden kann, ob tatsächlich Watergate im Mittelpunkt stehen soll oder doch eher das Leben von Mark Pelt. Daher werden in beiden Handlungssträngen wichtige Figuren niemals zu Charakteren etabliert, sondern bleiben trotz aller Bemühungen des namhaften Casts zu blass, um Akzente zu setzen. Dazu gehören Felts Kollegen, aber auch seine Ehefrau Audrey (Diane Lane), die zu viel trinkt und depressiv ist, und seine Tochter Joan (Maika Monroe), die vor einem Jahr abgehauen ist und von der Felt befürchtet, sie könnte sich den Weather Men angeschlossen haben. Fast drängt sich die Vermutung auf, dieses Verschwinden wird lediglich angerissen, um seine Maßnahmen gegen diese Organisation zu begründen, die ihn Jahre später vor eine Grand Jury gebracht haben.

Dazu kommt eine Inszenierung, der gerade die Stärke eines Politthrillers fehlt: das Gefühl für Authentizität. Landesman fasst alles in ausgewaschenes Grau und leicht bläuliche Büro-Szenen, hinzu kommt eine penetrante Musik, die Spannung suggerieren soll, wenn davon in den Bildern nichts zu finden ist, und jeden vermeintlich wichtigen Punkt in einem Dialog noch besonders akzentuiert. Doch das reicht nicht aus – zumal sich jeder Film über Watergate unausweichlich mit dem Film über Watergate vergleichen lassen muss. Aber während Die Unbestechlichen (All the President’s Men) erzählt, wie der Skandal aufgedeckt wird und zugleich ein Plädoyer für eine unabhängige Presse ist, gelingt es The Secret Man noch nicht einmal, die andere Seite der Geschichte zu erzählen. Denn wie wird ein überzeugter FBI-Mann – „the G-man’s G-man“ – zum „Verräter“ der eigenen Behörde? Und wie stellt er das genau an? Haben hier zumindest die Treffen zwischen Mark Felt und Time-Journalist Sandy Smith (Bruce Greenwood) noch Spannung, wird seine Zusammenkunft mit Bob Woodward (Julian Morris) zur Randnotiz.

Auch die Rolle des FBI und dessen viel beschworene Unabhängigkeit wird nicht hinterfragt. Hoover hatte sie gesichert, indem er Material aus jeglichen legalen und illegalen Überwachungen, Klatsch, Tratsch und sonstigen Quellen gesammelt hat, um Erpressungsmittel zu haben. Ist dieser Preis angemessen? Und womöglich ist es der Produktionszeit geschuldet, aber aus heutiger Sicht lässt sich sagen, dass auch die Verweise auf die Gegenwart nicht genutzt werden. Dabei sind sie doch offensichtlich: ein korrupter Präsident, dem es nur um die eigene Macht geht, Kämpfe im Washingtoner Establishment und eine Bevölkerung, die viel zu lange weggeguckt hat, gab es damals wie heute. Aber mehr noch: die Hoffnung, dass sich irgendwann vielleicht wieder ein Whistleblower findet, der dem Ende dieses Spuks einen Anfang bereitet.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/the-secret-man