Maleika

Das wilde Leben einer Gepardin

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der deutsche Fotograf und Tierfilmer Matto Barfuss ist auch als "der Gepardenmann" bekannt, seit er 1996 mehrere Monate bei einer Gepardenfamilie in der Wildnis von Tansania lebte. Nun hat er einen Dokumentarfilm über eine andere Gepardin gedreht, die als Protagonistin den Namen Maleika trägt. Sie schenkt 2014 in Kenias Naturschutzgebiet Masai Mara sechs Jungen das Leben. Die Kamera beobachtet, welche Prüfungen Maleika während der 18 Monate meistern muss, in denen sie für ihre Jungen sorgt. Die Zahl ihrer Kinder nimmt in diesem Zeitraum aber, dem unbarmherzigen Gesetz der Wildnis folgend, trotz aller mütterlichen Fürsorge dramatisch ab.

Die abenteuerliche Geschichte dieser Familie, die jeden Tag ums Überleben kämpft, besitzt eine spielfilmähnliche Dramaturgie. Es gibt idyllische Szenen, emotionale Höhen und Tiefen, Nebenfiguren in Gestalt einer Löwenmutter und anderer Tiere, ein überraschendes Finale. Die Off-Kommentare, gesprochen von Max Moor, erklären die verschiedensten Gefahrenmomente, die Maleika in der freien Wildbahn zu bewältigen hat, sehr anschaulich und lehrreich. Die schlanke Raubkatze und ihre Kinder müssen nicht nur Löwen und Hyänen fürchten, sondern auch die Attacken von Büffeln. Selbst Beutetiere wie die Gnus können aggressiv werden und die Mutter mit ihren Jungen vertreiben. Maleika muss ständig auf der Hut sein und sucht sich am liebsten kleine Aussichtshügel im Gelände aus, um nahende Gefahren rechtzeitig zu erkennen. In spektakulären Aufnahmen werden ihre kräftezehrenden Jagden festgehalten, die bei Weitem nicht immer erfolgreich sind, obwohl Geparden mit Sprints von bis zu 120 Stundenkilometern die schnellsten Landtiere der Erde sind.

Auch in dem am gleichen Ort gedrehten, ähnlich gelagerten Disneynature-Film Im Reich der Raubkatzen von 2011 wurde die mütterliche Leistung einer Gepardin – und einer Löwin – so geschildert, dass sie menschlichen Gefühlen und Werten entsprach. Hier wird nun sehr oft betont, wie heldenhaft und auch wie liebevoll Maleika ist, ja, dass ihr das Schmusen mit den Kindern die Kraft gibt, schwere Stunden zu überstehen. Diese Interpretationen als kitschige Vermenschlichung abzutun, greift aber zu kurz. Denn naturgemäß erklärt sich der Mensch das Verhalten von Tieren oft mit Hilfe weniger Anhaltspunkte und viel Spekulation. Es ist gut vorstellbar, dass die Schwingungen des Schnurrens, wie im Film gesagt, eine positive physiologische Rückwirkung auf die Raubkatze haben. Diese braucht Maleika dringend, nachdem sie sich bei einem Sprung an einem herumliegenden Ast den Bauch aufgerissen hat. Zwei Wochen lang kann sie nun nur mit großer Mühe jagen und ihre Kinder kaum noch vor lauernden Angreifern beschützen. Es verblüfft dann doch, dass selbst eine so erfahrene Jägerin wie Maleika nicht vor solchem Missgeschick gefeit ist, das ihr und ihrem Nachwuchs beinahe zum Verhängnis wird.

Ein weiteres hochdramatisches Ereignis geschieht beim Überqueren eines Flusses, in dem Krokodile lauern. Maleikas Sohn Marlo erreicht wegen einer Krokodilattacke das andere Ufer nicht, aber die Mutter und ihre überlebenden Kinder kehren tagelang dorthin zurück, um nach Marlo zu rufen. Ja, die Familie überquert sogar noch einmal den Fluss, um die Stelle in der Savanne aufzusuchen, wo Marlo und die anderen Kinder vor kurzem aus Jux eine Gruppe Löwen provozierten. Was sucht Maleika an diesem Ort? Darüber lässt sich wirklich nur spekulieren, doch es kann beim Betrachten dieser Aufnahmen kein Zweifel bestehen, dass die elterliche und geschwisterliche Bindung mit dem Tod von Marlo nicht einfach gekappt wurde.

Richtig störend wirkt hingegen der beliebte dramaturgische Kniff der Vermenschlichung, Tieren Voice-over-Worte in den Mund zu legen, Ausdrücke wie "Puh!" oder "Hey, Kamera aus!" in einer für einen Vierbeiner unvorteilhaften Situation. Zum Glück tritt solche spaßig intendierte, aber vereinnahmende Anbiederung gegenüber den realitätsgerechten Sachkommentaren dann doch in den Hintergrund.

Die Aufnahmen können mit dem sehr hohen Qualitätsstandard im Naturfilmsektor locker mithalten. Auch hier gibt es wunderbare Landschaftsbilder im Abendrot, Nahaufnahmen, wenn Regen auf die Geparden prasselt, dynamische Massenszenen bei der Flussüberquerung. Besonders reizvoll ist auch das Dolby-Atmos-Tonformat, das die Zuhörer im Kinosaal, wenn die durchaus gelungene Filmmusik schweigt, akustisch tief in das Konzert der Wildnis eintauchen lässt. Die vielen Stimmen der Dämmerung und der Nacht, das Zirpen der Insekten, die fiependen Rufe der Geparden erwecken den Eindruck aufregender Unmittelbarkeit. Insgesamt ist Maleika zwar kein perfekter, aber ein schöner und lehrreicher Film für die zahllosen Naturdokumentarfilm-Liebhaber aller Altersstufen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/maleika