Mädelstrip

Verschleudert

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Beginnen wir mit dem Guten: Goldie Hawn is back! Die 1945 geborene US-Komödiantin – bekannt aus Werken wie Die Kaktusblüte (1969), Ein Vogel auf dem Drahtseil (1990) oder Der Club der Teufelinnen (1996) – war seit dem Jahr 2002 nicht mehr auf der Leinwand zu sehen, kehrte in diesem Jahr aber für einen Mädelstrip ins Kino und jetzt auch ins Heimkino zurück. Und – auch das ist gut – an Hawns Seite agiert die unerschrockene Amy Schumer, die in ihrer Sketch-Comedyserie Inside Amy Schumer gekonnt mit Rollenklischees zu spielen versteht.
Doch jetzt zum Schlechten: Mädelstrip ist trotz dieser vielversprechenden Besetzung eine gänzlich unlustige, streckenweise sogar richtig ärgerliche Angelegenheit, deren Beteiligte womöglich glauben, freche Witze über Sexismus und Rassismus zu machen, dabei allerdings nicht zu bemerken scheinen, dass der Film in seiner Darstellung von Frauen sowie in seinem Südamerikabild selbst allzu oft ziemlich sexistisch und rassistisch wirkt. Dass die von Schumer verkörperte Protagonistin Emily keine Figur ist, die es uns leicht macht, sie zu mögen, ist grundsätzlich durchaus begrüßenswert; den Zeiten niedlich-liebenswürdiger Heldinnen ohne Ecken und Kanten muss wahrlich nicht nachgetrauert werden. Emily wird jedoch derart unsympathisch und lebensuntüchtig gezeichnet, dass man sie rasch überhaupt nicht mehr ernst nehmen kann: Sie ist schlecht und rücksichtslos in ihrem Beruf als Bekleidungsverkäuferin, da sie sich nur für sich selbst interessiert; sie hängt (anfangs) an einem Mann (Randall Park), der sie unverblümt als Versagerin bezeichnet; sie hat offenkundig keine echten Freund_innen, die etwas mit ihr zu tun haben wollen, was Emily wiederum nicht davon abhält, alle Ereignisse ihres Lebens online zur Schau zu stellen – und sie verhält sich (nicht nur) ihrer Mutter Linda (verkörpert von Hawn) gegenüber wie ein verzogener Teenager.

Als ihr Freund "überraschend" mit ihr Schluss macht, braucht Emily eine Begleitung für ihren nicht erstattungsfähigen Trip nach Ecuador – und nimmt letztlich Linda mit, obwohl diese (inzwischen) jedes Abenteuer scheut. In der Einführung von Lindas Lebenssituation hat der Film ein paar recht charmante Momente; gleichwohl wird die Figur (abgesehen von ihrer Katzenliebe und ihrer Scheu vor Aufregung) mit zu wenigen Eigenschaften und kaum stimmigem Hintergrund ausgestattet, um spannend zu sein. Während des Urlaubs lernt Emily den attraktiven James (Tom Bateman) kennen, der sie und ihre Mutter auf eine Tour in seinem Wagen mitnimmt – bis sich die beiden Frauen unversehens in den Händen von Entführern wiederfinden und entkommen müssen. Die Motive der Entführer bleiben völlig unklar; alsbald zerfällt Mädelstrip in eine Nummernrevue, bei der Drehbuchautorin Katie Dippold (Taffe Mädels) überzogene Geschmacklosigkeiten mit gelungenen Gags und Regisseur Jonathan Levine (Warm Bodies) unangenehm-anstrengende Hektik mit flottem Tempo zu verwechseln scheinen – obwohl beide es in ihren früheren Arbeiten doch deutlich besser konnten. Zuweilen versucht der Film – etwa mit einem von Christopher Meloni interpretierten Pseudo-Abenteurer –, mit den Klischees zu brechen, die er überwiegend bedient, geht in diesen Momenten allerdings so vorhersehbar und plump vor, dass er damit wirklich gar nichts retten kann. Die finale Botschaft, die sich emanzipatorisch gibt, will man dem Werk einfach nicht abnehmen.

Die Nebenstränge um Ike Barinholtz als Emilys Bruder, der an Agoraphobie leidet, seiner Mutter und Schwester aber dennoch helfen will, sowie um Wanda Sykes und Joan Cusack als Duo mit Kampferfahrung, sind größtenteils reizlos-albern – zumal es eine ausgesprochene Talentverschwendung ist, der wunderbaren Cusack (In & Out) einen Part zu geben, in welchem sie aufgrund einer schnell ins Lächerliche gezogenen Hintergrundgeschichte kein Wort zu sagen vermag. Nicht minder negativ fällt auf, dass die Flucht von Emily und Linda unnötig brutal und zynisch in Szene gesetzt wird; die einheimischen Kriminellen bleiben ausnahmslos Schießbudenfiguren – und die Aufnahmen im Dschungel muten zum Teil erstaunlich billig an, als handele es sich hier um eine Direct-to-DVD-Produktion. All das macht Mädelstrip zu einem enervierend-enttäuschenden Erlebnis, in dem die erwiesenen Fähigkeiten aller Mitwirkenden nicht zum Tragen kommen. Schade!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/maedelstrip