Blade Runner 2049 (2017)

K, übernehmen Sie!

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Eine stahlblaue Iris ergießt sich in einer Detailaufnahme über die Leinwand und ihre Struktur geht in die nächste Einstellung über. Es sind die graublauen Dächer von Bauten zur Zucht von Proteinen, die aus der Vogelperspektive gezeigt werden. Damit verweisen schon diese ersten Einstellungen auf das grundlegende Thema der Blade-Runner-Filme: das Verhältnis des Menschen zur Technik.

Seit Harrison Ford in Ridley Scotts Blade Runner Replikanten gejagt hat, sind 30 Jahre vergangen. Die Neonlichter leuchten nicht mehr in den Nachthimmel, sie begrenzen sich auf die Straßenzüge, die von dreidimensionalen Reklamefilmen erstrahlt werden. In den drei Kurzfilmen, die vor dem Kinostart von Blade Runner 2049 veröffentlicht wurden, ist zu sehen, was in der Zwischenzeit passiert ist. Und ihre Sichtung sei an dieser Stelle explizit empfohlen. Sie sind mehr als nur cleveres Marketing, sie fügen der Geschichte tatsächlich Details hinzu, ohne etwas vorwegzunehmen. Ohnehin soll hier nur die Ausgangssituation umrissen werden – denn je weniger über den Plot des Films vor seiner Sichtung bekannt ist, desto mehr Unterhaltung bietet Blade Runner 2049.

Im Los Angeles des Jahres 2049 ist die Tyrell Corporation Geschichte, stattdessen hat Niander Wallace (Jared Leto) deren Pläne weitergeführt und Replikanten entwickelt, die noch effizienter und gehorsamer sind. Aber eines ist geblieben: Es gibt weiterhin Blade Runner, die immer noch die flüchtigen Replikanten der ersten Generation suchen. Einer davon ist K (Ryan Gosling), der im Auftrag des LAPD seinen Dienst versieht. Nachdem er einen der Replikanten gestellt hat, macht er eine weitere Entdeckung, die ihn und seine Vorgesetzte, Lieutenant Joshi (Robin Wright), ebenso interessiert wie Wallace, der daraufhin seine treue Assistentin Luv (Sylva Hoeks) beauftragt, mehr über den Fund herauszufinden.

Es war ja zu befürchten, dass die Fortsetzung des 1980er-Jahre-Kultfilms nur ein lauer Aufguss wird, tatsächlich aber gelingt die Verbindung aus Altem und Neuen weitgehend, wenngleich die Noir-Anteile deutlich zurückgedrängt sind. Aber da ist zum einen die Geschichte, die trotz eines überflüssigen Endes überlegt fortgesetzt wird und in der Erinnerung eine zentrale, ja, bewegende Rolle spielt, während sie sich insgesamt auf einen zentralen Aspekt der Menschheit konzentriert. Zum anderen greift der Soundtrack die Synthesizer-Klänge des Vorgängers auf, bringt sie aber ungleich dröhnender und gewaltiger ins Kino. In ihnen findet man auch den Hauch Neon, das in den Bildern nicht mehr diese Strahlkraft hat. Dennoch sind die Bilder von Kameramann Roger Deakins im Zusammenspiel mit dem Produktionsdesign von Dennis Gassner atemberaubend. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass der Film als Spektakel angelegt ist. Immer wieder wird die Weite des Umlandes von Los Angeles gegen die Enge der Großstadtschluchten gesetzt, verweisen Vogelperspektiven auf das große Ganze, ehe es dann doch wieder um Details geht. Insgesamt ist zu spüren, dass sich Regisseur Denis Villeneuve und die Drehbuchautoren Hampton Fancher (der mit David Peoples auch Blade Runner schrieb) und Michael Green immer wieder auf das Original beziehen, zugleich aber auch die Filme kennen, die vor und nach ihm liefen – natürlich beeinflusst im Produktionsdesign. Daher gibt es Anspielungen auf Spielbergs A.I. – Artifical Intelligence ebenso wie eine Hotelbar, die an Stanley Kubrick erinnert.

Ohnehin gibt es in diesem Film, der sehr auf Schauwerte setzt, viele bemerkenswerte Kleinigkeiten: Oftmals fließen aus Luvs Augen Tränen, während ihr Gesicht keinerlei Emotionen zeigt. K liebt seine holografische Freundin Joi (Ana De Armas), obwohl er weiß, dass sie ein Konstrukt und immer das ist, was er sich wünscht. Die Dialoge sind oftmals ungemein effektiv, in den Bildern stecken kleine Hinweise auf Unsicherheiten und Wahrnehmungen. Es gibt aber auch Kleinigkeiten, die insbesondere in der Nachschau irritieren. Die Konformität der Frauentypen in diesem Film, die Inszenierung mancher Frauenkörper und die Tatsache, dass auch im Los Angeles des Jahres 2049 weiterhin überwiegend weiße Menschen und weiße Replikanten Macht ausüben. Hierin steckt prinzipiell eine Aussage über die Zukunft, man kann diese Aspekte so deuten, dass sich Machtverhältnisse kaum ändern werden und Fantasien omnipräsent sowie jederzeit zu befriedigen sind. Doch leider belässt es der Film hier beim Zeigen und erforscht diese Themen nicht weiter.

Und das ist ein kleines Manko von Blade Runner 2049. So clever der Plot angelegt ist, so gut die Verbindung zum Vorgänger geknüpft wird, fehlt dem Film bisweilen die große Vision. Aber das ändert nichts daran, dass dieser Film ein visuelles Spektakel ist, das im ersten Moment auch mit der Geschichte überzeugt und unbedingt auf der großen Leinwand gesehen werden sollte.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/blade-runner-2049