Die Poesie der Liebe (2017)

Schreiben und Lieben

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“ weiß der Phrasenfundus und kaschiert damit allzu gerne das paternalistische Bild des Machers und der Frau im Hintergrund, die ihm den Rücken freihält, die Kinder versorgt, die Familie am Laufen hält und nebenbei noch als Muse dient. Auf den ersten oberflächlichen Blick hin könnte man Nicolas Bedos’ literarische Liebesgeschichte Die Poesie der Liebe (im Original Monsieur & Madame Adelman) durchaus als schmissige Illustration des eingangs genannten Bonmots betrachten, doch der Film ist dann doch um einiges trick- und wendungsreicher und erzählt nebenbei eine der schönsten und amüsantesten Romanzen des zu Ende gehenden Kinojahres.

Der Film beginnt vom Ende her: Bei der Beerdigung und der anschließenden Trauerfeier für den verstorbenen Großliteraten Victor Adelman (gespielt vom Regisseur Bedos) macht sich ein Journalist und angehender Biograph des gerade Verblichenen an dessen Witwe Sarah (Doria Tillier) heran, um Stoff für sein Buch zu sammeln. Dabei interessiert ihn vor allem der Einfluss von Adelmans Umfeld auf dessen Leben und Wirken. Zunächst genervt, aber auch gleichzeitig froh, den Konversationen des tristen Anlasses zu entfliehen, gibt Sarah ihm bereitwillig Auskunft über die fast ein halbes Jahrhundert andauernde Beziehung zu Victor und offenbart ein Leben voller Höhen und Tiefen, das privat wie künstlerisch überaus ambivalent verläuft.

Die chronologische Rückschau erzählt vom ersten Kennenlernen in einer Bar, bei dem der damals noch frustrierte Literat so sturzbetrunken ist, dass die erste Liebesnacht schlicht nicht zustande kommt. Das gibt Sarah immerhin die Möglichkeit, den gerade abgelehnten Roman des friedlich Schnarchenden einer dringend benötigten Überarbeitung zu unterziehen.

Zwar dauert es dann noch ein wenig, bis die beiden wirklich ein Paar werden, doch die private wie berufliche Aufgabenverteilung ist in jener Szene schon angelegt: Victor ist der Bohemien und das schlampige Genie, während Sarah nicht nur die Sätze und Wörter, sondern immer wieder auch ihren Mann in geregelte Bahnen lenken muss. Dank dieser tatkräftigen Hilfe stellt sich alsbald der ersehnte literarische Erfolg ein, doch damit wird keinesfalls alles gut: Ein geistig zurückgebliebener Sohn belastet das Glück der Adelmans ebenso sehr wie Sarahs zeitweilige Kokainsucht und Victors unersättlicher Appetit auf andere Frauen. Es folgt die Geburt einer Tochter, eine vorübergehende Trennung, eine unverhoffte Wiederannäherung, ein zweites spätes Glück und der langsame Verfall Victors, der am Ende seiner geistigen Kräfte verlustig geht.

Dass die eigentlich recht konventionell erzählte Geschichte, die in der Rückschau rein chronologisch abläuft, dennoch ebenso spannend wie amüsant ist, liegt an verschiedenen Punkten, zuvorderst aber an zwei hinreißenden Hauptdarstellern, die zudem dank der exzellenten Arbeit des Maskenbilders glaubwürdig den gesamten Zeitraum der Erzählung abbilden. Dabei fällt insbesondere Dora Tillier auf, deren mimisches Repertoire zwischen charmant bis spröde, beherrscht bis ausgelassen eine erstaunliche Varianz aufweist.

Hinzu kommt, dass Bedos’ Drehbuch mit gleich einigen Geheimnissen aufzuwarten weiß, die erst am Ende die gesamte Tragweite der Beziehung enthüllen und die dem zeitweise heiteren, dann wieder quälend ernsten Drama genügend Suspense verleihen, um über manche Länge hinwegzuhelfen.

Gerade angesichts anderer fiktionaler Künstlerbiographien der letzten Zeit  wie etwa Werk ohne Autor, fällt auf, wie vergleichsweise unangestrengt und zugleich um einiges vielschichtiger und tiefgründiger Die Poesie der Liebe daherkommt und wie der Film die weiblichen Parts künstlerischer Lebensgemeinschaften eben nicht nur als Musen rezipiert, sondern als eigenständige und starke Persönlichkeiten, die leider immer noch dazu verdammt sind, ihre eigenen Ambitionen hinter der Fassade eines (natürlich männlichen) Genius zu verstecken.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/mr-mme-adelman