Die Liebenden (2017)

Ehe ist Arbeit, Ehebruch auch

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Als Subgenre der screwball-Komödie erfreute sich die comedy of remarriage in den 1930er und 1940er Jahren großer Beliebtheit; zu den Klassikern zählen „Die schreckliche Wahrheit“ (1937) und „Sein Mädchen für besondere Fälle“ (1940). Der Drehbuchautor und Regisseur Azazel Jacobs greift in „Die Liebenden“ Motive dieser Werke auf – kleidet seinen Film dabei aber auch gekonnt in ein modernes Gewand.

Zur damaligen Zeit lag der Reiz der comedy of remarriage vor allem darin, dass deren Dramaturgie ein gewitztes Spiel mit dem seinerzeit in Hollywood geltenden strengen Hays Code ermöglichte, was die eigentlich untersagte Darstellung von außerehelicher Sexualität betraf. Dieses subversive Potenzial hat das komödiantische Subgenre heutzutage fraglos verloren. Jacobs nutzt dessen erzählerisches Muster jedoch, um eine kluge Geschichte über Liebe, Ehe und Ehebruch zu schildern.

Im Zentrum stehen Michael (Tracy Letts) und Mary (Debra Winger), die seit vielen Jahren verheiratet sind. Sie haben einen gemeinsamen Sohn, der studiert, sie gehen beide Bürojobs nach – und sie unterhalten beide schon seit langer Zeit Affären: Michael trifft sich mit der Balletttänzerin Lucy (Melora Walters), Mary mit dem Schriftsteller Robert (Aidan Gillen). Sowohl er als auch sie haben dem Gegenüber versprochen, sich bald aus der Ehe zu lösen – nur ein anstehender Besuch von Sohn Joel (Tyler Ross) und dessen Freundin Erin (Jessica Sula) soll noch über die Bühne gebracht werden. Doch dann geschieht etwas Unvorhergesehenes: Das Paar, dem die Leidenschaft füreinander gänzlich abhandengekommen war, spürt plötzlich wieder einen heftigen Funkenschlag.

Jacobs lässt uns miterleben, dass der Alltag einer Ehe mühsam ist – er zeigt allerdings auch, dass das Verbergen einer Liaison ebenfalls erkleckliche Mühe kostet. Hierbei setzt der Regisseur die technischen Errungenschaften unserer Zeit stimmig ein, um das amouröse Chaos einzufangen. Ständig sind Michael und Mary mit ihren Mobiltelefonen beschäftigt. Dass Michael Lucys Nummer zur Tarnung unter dem Begriff „work“ eingespeichert hat, ist eine wunderbare Doppeldeutigkeit.

Wenn das zentrale Paar sich unerwartet wieder näherkommt, ergeben sich amüsante Verschiebungen; das Eheleben mutet plötzlich wie ein aufregendes, heimliches Abenteuer an. Inszenatorisch hat Die Liebenden zuweilen etwas Theaterhaftes; die Orchestermusik, die sämtliche Irrungen und Wirrungen begleitet, verleiht dem Geschehen jedoch etwas angenehm Dynamisches.

Melora Walters (Magnolia) und Aidan Gillen (Game of Thrones) bleiben in ihren Rollen als Dritte und Vierter im Bunde etwas blass; das Duo im Mittelpunkt ist hingegen hervorragend: Debra Winger, die dank Filmen wie Ein Offizier und Gentleman (1982), Zeit der Zärtlichkeit (1983) oder Staatsanwälte küsst man nicht (1986) einst sehr präsent im Mainstream-Kino war, seit einigen Jahren aber nur noch äußerst selten auf der Leinwand in Erscheinung trat, ist in ihrem Hadern ebenso überzeugend wie ihr Spielpartner Tracy Letts. Gemeinsam geben die beiden ein glaubwürdiges Middle-Class-Paar, das sich im Laufe der Jahre verloren hat und lustvoll neu entdeckt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-liebenden-2017