Der Perser und die Schwedin

Einzigartig

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Was für eine kleine, eigenartige Perle dieses Werk doch ist. Der Perser und die Schwedin ist eine dieser interessanten Fußnoten der Filmgeschichte, die man ohne die aktivistische Arbeit einiger weniger nicht kennen würde. Gerettet wurde diese Perle des Sittenmelodrams aus den 1960er Jahren durch das Hofbauer Kommando (nach Ernst Hofbauer, dem Vater der Schulmädchenreporte), eine kleine, aber höchst enthusiastische Gruppe von FilmliebhaberInnen der abseitigen, "schmierigen" europäischen Filmkultur. Hier wurde der Film, der in einer stark angegriffenen 35mm-Kopie vorher unter ominösen Umständen von einem Filmdealer gekauft wurde, erstmals gezeigt und löste einen kleinen Sturm aus, der diesen Film ein paar Jahre später aus der Versenkung wieder hervorholte und auf Disc verewigte. Eine Erfolgsgeschichte, die es so eigentlich gar nicht geben kann.

Denn nichts wird mehr mit Füßen getreten und missachtet als die Filmgeschichte. Den archivarischen Aufgaben kommt man in Deutschland und ganz Europa kaum nach, viele Filme, darunter viel gewaltigere und bekanntere als Der Perser und die Schwedin sind davon bedroht in den nächsten Jahren so zu verrotten, dass sie uns für immer verloren gehen. Umso wichtiger also, dass sich Menschen engagieren und gut auch, dass sie dies auch außerhalb des anerkannten Filmkanons tun. Hier nun, in einer liebevoll produzierten Doppel-Disc-Ausgabe, präsentiert sich einer der eigenartigsten Filme nicht nur der europäischen Filmgeschichte, sondern auch des Genres des "Schwedenfilms", einer freizügigen Softporno- bzw. Sexfilmvariation der 1960er Jahre. Aber selbst in diese recht offene Schublade passt der Film nicht ganz hinein. Vielmehr ist er ein enigmatisches Hybridwesen zwischen Sittenmelodram, Dokumentar-, Musik- und Sexfilm. Nirgends lässt er sich einordnen, mit Händen und Füßen wehrt sich dieses Werk, auch nur irgendwie einer Kategorie zu entsprechen. Und genau das macht seine Faszination aus.

In dieser gerade einmal 77-minütigen schwedisch-britischen Koproduktion geht es um den jungen persischen Studenten Mustafa (Akramzadeh), der sein Medizinstudium völlig ignoriert, da er seine gesamte Zeit mit dem Studieren weiblicher Anatomie am lebenden Objekt verbringt. Dabei hat es ihm vor allem die schwedische physique schwer angetan. Deshalb hat Mustafa gleich zwei Schwedinnen am Haken: Birgit, die heiße Kurvige, die aussieht wie eine herrlich verlotterte Marilyn Monroe, und Monika, eine kühle Variante von Jean Seberg und genau wie sie in Godards Außer Atem mit Pixie-Frisur und gestreiftem Top unterwegs. Mit den beiden streift er durch das nächtliche Soho, geht von einer Party zur anderen und die Kamera folgt. Die dokumentarischen Aufnahmen Londons Anfang der 1960er Jahre sind berauschend. Akramzadeh, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch die Regie übernommen hat, kann sich nicht sattsehen am blinkenden Rausch dieser Stadt mit all den heißen Versprechen der Nacht, die die Jugend befeuert und das Blut zum Wallen bringt. Noch weniger kann er sich von der reichhaltigen Musikszene trennen. Es scheint, als würde der Film seine Grundgeschichte immer wieder vergessen oder anhalten, um zu schwelgen und zu zeigen, wie das Nachtleben hier vibriert. Von Flamenco-Tänzern bis hin zu drei Striptease-Nummern in Echtzeit und nacheinander dokumentiert der Film den Hype. Zwischendrin, möchte man ab und an meinen, nimmt er die Geschichte um Birgit, Monika und Mustafa wieder auf, die alsbald, wie es sich für ein Sittendrama gehört, eine dramatische Wendung nimmt. Denn Mustafa versemmelt seine Examensprüfung und die Mutter zwingt ihn darauf, wieder nach Persien zurückzukehren. Und das zur großen Not von Monika, die inzwischen schwanger von ihm ist, wie es sich für so leicht entflammbare Luder wie sie gehört. Strafe muss sein. Wo bleibt sonst die Konsequenz für den Sittenverfall und die Unmoral?

Was auf diese dramatisch-moralischen Momente folgt, ist schierer Wahnsinn. Ein betrunkener Arzt, eine Weihnachtsparty, eine Schlittenfahrt in Schweden - so richtig moralisch will der Film dann doch nicht sein. Lieber mit Subversivität alles wieder aufbrechen, manchmal ad absurdum führen. Ähnlich geflickt ist auch der Film selbst, der durch diverse später nachgedrehte Szenen oder Nachrichtenmaterial noch aufgepolstert wurde, damit er eine halbwegs ordentliche Laufzeit erhält. Das ist manchmal so clever eingefügt, dass man es kaum merkt, manchmal einfach reingeschnitten, wie es gerade passt.

Es ist in der Tat so, dass man, selbst als nicht gut geschulte/r ZuschauerIn im europäischen Schmuddel- und Sittenkino, Der Perser und die Schwedin als recht einzigartiges Werk erkennt. Gut also, dass es gerettet werden konnte. Wer ein bisschen trashigem Spaß nicht abgeneigt ist oder sich außerhalb des üblichen Kanons weiterbilden will, muss diesen Film gesehen haben.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/der-perser-und-die-schwedin-blu-ray-dvd