Sindbad und das Auge des Tigers (Blu-ray)

Die Monster AG

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Peng – Boom – Bang: Ein Feuerwerkszauber gleich zu Beginn. Schnitt: Pompöse Orientmusikklänge (Roy Budd) – und in der Ferne, verschwommen, eine Stadt aus tausendundeiner Nacht. Sam Wanamakers Sindbad und das Auge des Tigers ist ein fantastischer Ausflug in die Abenteuer-Sehnsuchts-Welt des berühmtesten Seefahrers aller Zeiten. In die zauberhaft-verschrobenen, immer etwas zu viel Kindheit atmenden Kulissen aus der Hand von Stop-Motion-Animator-Maximus Ray Harryhausen (1920 – 2013) kann der Zuschauer problemlos immer wieder von Neuem eintauchen – auch noch fast 40 Jahre nach der Filmpremiere dieser prestigeträchtigen Zusammenarbeit zwischen Wanamaker und Harryhausen, der zusammen mit Drehbuchautor Beverly Cross auch die Story entwickelte und als Produzent fungierte.
Unentwegt wird hier die pure Lust am sinnlichen Zusehen stimuliert. Verbunden mit der stillen Vorfreude auf den jeweils nächsten, sicherlich wiederum reichlich wirren Erzählstrang, der eigentlich ohne Punkt und Komma ins Leere läuft, aber was soll's!? Schließlich stammen die Special-Effects aus der Ein-Mann-Fabrik namens Ray Harryhausen: Und der ist stets für ein erstauntes "Ach, nein! – Oh, das kann doch nicht sein! – Wie geht denn das nun wieder?" zu haben.

Spätere Fantasy- und Sci-Fi-Schöpfer wie George Lucas, Steven Spielberg, Sam Raimi oder Tim Burton schrieben dem lange Zeit in London lebenden Gentleman unter den Spezial-Effekte-Machern dieser Welt bereits in ihren Jugendjahren begeisterte Fan-Briefe. Ohne Zweifel: Ray Harryhausens tricktechnisch höchst verzwirbelte, Generationen von Kinderaugen berauschenden Geniestreiche im analogen Zeitalter der Filmkunst (z.B. die legendäre Kampfsequenz mit den schwertschwingenden Skeletten in Jason und die Argonauten / 1963) waren jahrzehntelang stilprägend.

Da verschmerzt man dann auch getrost den ein oder anderen Bock in der Besetzung: Patrick Wayne, der wirklich nichts Heroisches an sich hat, ist wirklich eine Lachnummer als Sindbad, obwohl er doch der Sohn eines sehr berühmten Westernhelden ist... Romina Powers Schwester Taryn sieht nun mal bezaubernd aus, aber das ist dann auch schnell das Einzige, was von ihrem Nicht-Spiel im Gedächtnis bleibt. Selbst eine heute vielbeschäftigte Golden-Globe- und Emmy-Preisträgerin wie Jane Seymour wirkt mit ihrem überaffektieren Gestus ziemlich deplatziert in Wanakmakers bzw. Harryhausens tolldreistem Monster-AG-Getümmel, in dem nichts weniger als ein bissiger Säbelzahntiger, ein überdimensioniertes Walross, eine verrückte Zauberin mit klaren Ansagen ("Tötet ihn!" – "Vernichtet ihn!" – "Tötet sie alle!") und – als echtes Glanzlicht – drei groteske Skelett-Männlein mit Alienaugen auf Sindbads Tross losgelassen wird.

In diesen prinzipiell nie zu langen Sequenzen ist Harryhausen naturgemäß in seinem Element: Als Highlight führt er dabei noch einen verzauberten Prinzen (Kassim) ein, der sich als schachspielender Riesen-Pavian die Zeit an Sindbads Seite vertreibt – und obendrein mit einem mächtigen Affenwesen im Steinzeitalterfell anbandelt, Zauberhorn inklusive... Klingt abgedreht? Ist es auch!

Und alle Settings sind durchgehend so fantastisch retromäßig angehaucht (wie im ersten Teil der Unendlichen Geschichte), dass man sich zwischendurch erst recht wieder in das Zeitalter den analogen Films zurückwünscht. Sollen doch Cameron, Disney, Pixar und Co. ruhig ihre digitalen (3-D)-Gewitter weiterhin abfeuern: In Harryhausens stets etwas bizarr angelegter Magierwelt zählt allein die handwerkliche Leidenschaft, in ihr ist von Beginn an das Herz des Technik-Fuchses omnipräsent. Gerade die Liebe zum Detail, die permanente Fabulierlust sowie die herrlich krude zusammengeschusterten Übergänge mit reichlich Trash-Potential zeichnen Sindbad und das Auge des Tigers aus: Ein Film, den es so heute gar nicht mehr geben kann. Schade eigentlich.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/sindbad-und-das-auge-des-tigers-blu-ray