Rupture - Überwinde deine Ängste

Das Fremde und Unbekannte

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Ich habe riesige Angst vor Spinnen. Einen Film zu schauen, in dem es um die Konfrontation mit den eigenen Ängsten geht, in dem eine junge Frau entführt wird, die - natürlich - Angst vor Spinnen hat und sich dieser Angst unweigerlich stellen muss, scheint keine besonders gute Idee zu sein. Steven Shainbergs Rupture bietet jedoch nicht ganz die Torture-Porn-Kost, die man vielleicht erwarten würde.

Nachdem sie gerade noch ihren Sohn für das Wochenende beim Ex-Mann abgesetzt hat, wird Renee (Noomi Rapace) plötzlich von Unbekannten entführt. Nach einer Fahrt unter Schlafmitteln in einem dunklen Transporter-Laderaum erwacht sie an eine Liege gefesselt in einer scheinbar heruntergekommenen Forschungsstation. Dort wird sie mit ihren größten Ängsten konfrontiert, noch ohne zu wissen, was ihre Folterer (u.a. Peter Stormare, Kerry Bishé) damit erreichen wollen. Und was hat eigentlich G10-12X mit all dem zu tun?

Was nach einem Ableger von Filmen wie Hostel (Eli Roth, 2005) oder der Saw-Reihe (James Wan u. a., 2005-2011) klingen mag, erweist sich schnell als durchaus nicht genrekonform für das scheinbare Torture-Porn-Setup. Denn Rupture ist kein Film, in dem Folter, Schmerz und Angst zum Selbstzweck ausgestellt werden und eine eher mäßige Rechtfertigung hinterhergeworfen bekommen. Hier ist das Gegenteil der Fall: Die Folter durch erzwungene Konfrontation mit der Angst spielt eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt steht Renees verzweifelter Versuch, einerseits aus ihrem Gefängnis zu entkommen und andererseits mehr über die vorgeblichen Wissenschaftler in Erfahrung zu bringen. Die wenige Gewalt, die der Film tatsächlich zeigt, ist also hier nur ein Mittel, um eigentlich eine andere Geschichte zu erzählen.

Das Hauptaugenmerk des Films liegt dabei auch nur begrenzt auf der Enthüllung der Hintergründe. Über weite Strecken ergeht er sich im Ausfalten einer besonderen Ästhetik. Nicht nur ist der Gebäudekomplex mit seinen etlichen Korridoren und Folterkammern mächtig verrottet - auch die Menschen, die für die geheime Organisation arbeiten, wirken wie aus der Zeit gefallen und wecken mit ihren Dauerwellen und Jeans-Hemden eine Retro-Ästhetik der 1950er- und 1960er-Jahre, die häufig etwa an die für ihren vergleichbaren Stil bekannte Videospiel-Reihe BioShock (2K Games, 2007-2013) erinnert. Vor allem die Beleuchtung des Films, die gelegentlich an den Meister des italienischen Genrekinos Dario Argento denken lässt, ist in beinahe außerweltlichen Farbkomplexen gestaltet - immer scheint von irgendwoher eine leuchtend-satte Farbe die Szenerie in stimmige Atmosphären zu tauchen.

Dagegen bleibt leider die Konstruktion der Erzählung in Rupture ein wenig auf der Strecke. Dies liegt vor allem daran, dass der Film die Energie, die er in seine ausgefeilte Gestaltung investiert, leider nicht mehr für eine fesselnde Handlung aufbringt. Schon die dynamische Balance zwischen angespanntem Warten, zur Untätigkeit gezwungen an eine Liege gefesselt, und der rasanten Flucht durch Lüftungsschächte und Flure erzeugt weniger eine abwechslungsreiche Dramaturgie als eher den schnell anstrengenden Eindruck von narrativer Unentschlossenheit. Auch die graduelle Auflösung der Mysterien erfolgt weitgehend vorausschaubar und ohne Überraschungen - den Aufbau eines großen, dunklen Geheimnisses, den der Film zuvor anstrengt, kann die letztliche Erklärung nicht angemessen einlösen.

Rupture ist jedoch, nicht zuletzt auch aufgrund seiner Besetzung, ein sehenswerter Film, der gerade nicht in den Konventionen eines Genres bleibt, sondern sie zugunsten seines ästhetischen Programms verlässt. Dabei verläuft er sich zwar schließlich zu weit abseits von Narration und Spannungsaufbau, es gelingt ihm jedoch eine umso intensivere Inszenierung des Fremden und Unbekannten, einer permanenten und nicht greifbaren Bedrohung, die ihren Ursprung in einer entrückten, künstlichen Retro-Ästhetik hat. Damit übersteigt Rupture allein ästhetisch den Anspruch der meisten Genrevertreter - wenngleich er am Ende doch auf eine erwartbar-konventionelle Auflösung seiner weitestgehend schwachen Erzählung zurückfällt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/rupture-ueberwinde-deine-aengste