Die Auswanderer (Miniserie 1)

Ein schwedisches Emigranten-Epos

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Auf Grund ihrer festgefahrenen, unzumutbaren persönlichen und sozialen Daseinsbedingungen nimmt eine kleine Gruppe von Schweden gegen Mitte des 19. Jahrhunderts das Wagnis auf sich, ins ferne, unbekannte Amerika auszuwandern. Diese Geschichte nach einem Roman von Vilhelm Moberg, 1971 vom schwedischen Filmemacher Jan Troell inszeniert und unter den Titeln Emigranten und Die Auswanderer vor rund vierzig Jahren in den deutschen Kinos sowie später auch als Miniserie im TV zu sehen, ist nun in einer limitierten Auflage von 2.000 Exemplaren auf DVD erschienen.
Im südschwedischen Småland um 1850 sind die Lebensumstände für einfach Leute mit kleinem Landbesitz wie die Eheleute Kristina (Liv Ullmann) und Karl-Oskar (Max von Sydow) ohnehin nicht leicht, und die religiös-repressiven, streng hierarchischen Herrschaftsverhältnisse wirken gnadenlos zementiert. Als die Mangelfolgen einer kargen Ernte zum Tode ihres ersten Kindes führen, entschließt sich das Paar, Karl-Oskars insgeheim gehegte Pläne nun tatsächlich umzusetzen und die hemmende Heimat hinter sich zu lassen – Amerika lautet das große Ziel von Hoffnungen auf ein besseres, ein freies Leben, das demjenigen, der sich bemüht, jenseits von Herkunft und Stand eine würdige Existenz ermöglicht. Mit hartnäckiger Zielstrebigkeit werden die umfangreichen Vorbereitungen getroffen und das Geld für die große Überfahrt organisiert, wobei Kristina und Karl-Oskar nicht die einzigen Aussteiger ihrer strengen kleinen Gemeinde sind, die sich absetzen wollen. So formiert sich eine kleine Gruppe von Emigranten unterschiedlicher Altersstufen, Beweggründe und Charaktere, die aufbricht, dem Elend zu entfliehen und in eine ferne Fremde zu reisen, deren vage Versprechungen wie eine schwer verständliche Verkündigung in ihren Gedanken vagabundieren ...

Es sind zuvorderst die vielschichtig gezeichneten Figuren mit ihren markanten individuellen Ausprägungen – intensiv und ansprechend von den konzentrierten Akteuren verkörpert –, die Die Auswanderer zu einem spannenden, authentisch anmutenden Drama mit sanfter, doch nachhaltiger Wirkungsmacht geraten lassen. Die Zeichnung der gesellschaftlichen Situation mit ihren Zwängen und daraus resultierenden Ängsten gelingt hier ebenso trefflich wie die Darstellung des bewegten, oftmals verzweifelten Innenlebens der Protagonisten, wobei Liv Ullmann und Max von Sydow als prominente Ingmar-Bergman-Gesichter das großartige Ensemble souverän anführen. Ihr Spiel als liebevolles Paar voll Vertrauen, Verlässlichkeit und Verhandlungsbereitschaft wirkt auch in der historischen Verortung angenehm zeitlos und repräsentiert Ansätze einer freimütigen, emanzipatorischen Geisteshaltung bezüglich von Geschlechterbeziehungen, die sich gerade in schwedischen Filmen der 1960er und 1970er Jahre schon recht häufig beobachten lässt.

In fünf Kategorien für den Oscar nominiert und unter anderem zweifach mit dem Golden Globe prämiert, wurde Die Auswanderer auch international von Kritik und Publikum positiv rezipiert, während der Film in Schweden selbst seinerzeit bereits als teuerste Produktion bislang im Vorfeld für Furore sorgte und schließlich mit dem renommierten nationalen Guldbagge-Preis ausgezeichnet wurde. Die Fortsetzung der Saga, Das neue Land / Nybyggarna, gleichfalls unter der Regie von Jan Troell im Jahre 1972 entstanden, feierte ähnliche Erfolge und erscheint im Oktober ebenfalls hierzulande auf DVD. Hier rückt das Leben der Emigranten in Minnesota sowie die Bilanz ihrer Erlebnisse und Erfahrungen in den Fokus, und diese Erkenntnisse bilden wiederum eine tragfähige Basis für die hintergründigen Aspekte dieses einmal mehr heute brisanten Themas.

Die mitunter unfreiwillig komischen Vorstellungen, die sich die fortstrebenden Schweden vom als neue Heimat auserkorenen Amerika machen, beleben eindringlich den Diskurs um philosophische und sozialpolitische Grundsatzfragen, die bei Zeiten erstaunlich aktuell wirken. Bei ihren Vorbereitungen, unterwegs auf der unwegsamen Reise und schließlich bei ihrer Ankunft auf dem verheißenden Kontinent entfaltet sich das Szenario von komplexen, so gar nicht antiquierten Migrationsschicksalen, dessen Grundzüge nur allzu deutliche Parallelen zu heutigen Flüchtlingsbewegungen erkennen lassen, trotz der offensichtlichen zeitgeschichtlichen Kulisse. Auch darin liegt eine signifikante Qualität von Die Auswanderer als sorgfältig konzipiertes Drama über die aus Elend erwachsende Sehnsucht und Entscheidung, eine bessere, eine gute Existenz für sich und die Seinen anzustreben: Bei aller Nähe zu den Figuren und ihrer Geschichte entsteht eine eindringliche Abstraktionstendenz, die an die substanziellen Bedingungen von Flucht und Migration gemahnt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-auswanderer-miniserie-1