Untergetaucht

Aufbäumen vor dem Untergang

Eine Filmkritik von Martin Beck

Das mit den Drogen ist so eine Sache. Sie ziehen einen runter, sie verleiten zu Extremen, sie verdunkeln den schönsten Tag und sie führen nicht selten zum Tod. Um so etwas in einen Film zu packen, muss eigentlich ein formales Gegengewicht her, mit allem erdenklichen Gebimmel, das nicht nur den Drogenrausch quasi abbildet, sondern auch von dem solchen Geschichten immanenten Nihilismus ablenkt. Der Untergang braucht ein leuchtendes Kostüm. Und eher keine Schwarzweiß-Bilder, immerhin durchsetzt mit fantasievollen Illusionen.
Vielleicht hätte man Philippe Haïm, dem Regisseur von Untergetaucht, mal sagen sollen, dass die Bling-Bling-Variante seines Themas, repräsentiert zum Beispiel durch Trainspotting oder dem völlig irren Dealer, wesentlich mehr Sinn macht als allumfassende Depression. In Schwarzweiß. Gefangen in einem unbarmherzigen Abwärtsstrudel. Bei dem alle Personen auf irgendeine Weise versinken. Der zentrale Polizist (Patrick Ridremont) trägt den Wackerstein einer unheilbaren Nervenkrankheit, seine Tochter (Pénélope-Rose Lévèque) ist drogenabhängig, der skrupellose Dealer (Olivier Chantreau) verliert seine Menschlichkeit und ein junger Flüchtling (Victor Viel) verzweifelt zwischen allen Fronten.

Hoffnung? Bei Untergetaucht ein Fremdwort. Die einzige Auflockerung, die Philippe Haïm dem Publikum gestattet, sind skurrile Visionen, die den Polizisten zum Beispiel im Zuckerregen stehen lassen. Seine Krankheit macht ihm immer wieder leichte Striche durch die eigentlich äußerst angespannte und bedrohliche Szenerie. Dominierend sind hier Gewalt, Verzweiflung, Abhängigkeit und gestrandete Wracks, angetrieben durch eine neue Synthetikdroge, die ein Dealernetzwerk in Paris verbreiten möchte. Die dreiteilige Serie macht von Anfang an keine Gefangenen und taucht tief in ihre Welt ein. Haïm sucht ein dokumentarisches Flair mit direkten, bewegungsfreudigen Bildern, die dann ebenso deutlich durchsetzt werden mit expressionistisch anmutenden Querschlägern.

Eine Gratwanderung zwischen Bodenständigkeit und Stilismus also, verpackt in einprägsame Schwarzweiß-Kompositionen, die dem zerrenden, geradezu fiebrigen Geschehen eine eigentlich gar nicht mehr nötige Noir-Note verleihen. Denn hier ist sowieso schon alles ganz schlimm und furchtbar und deprimierend. Die bereits erreichte Konsequenz, die in ihrer Zielstrebigkeit Beifall verdient, erhält mit der fehlenden Farbe einen nochmaligen Kantenschliff, der letztendlich nur noch arte als erste Ausstrahlungsheimat in Deutschland zuließ. In gewisser Weise ist Untergetaucht eine Zuspitzung der anderen großen Arbeiten des Regisseurs, also vor allem Secret Defense und Braquo (wo er vier Episoden schrieb und inszenierte).

Ohne Frage ist das alles hier hervorragend inszeniert und gespielt, zumal auch die verschiedenen Erzählstränge der Hauptfiguren abwechslungsreich miteinander verwoben werden, doch das große Publikum dürfte trotzdem ausbleiben. Es fehlt einfach die Chance auf eine Kehrtwende und ein verspielter Gegenpol, zum Beispiel in Gestalt bissigen Humors. Zurechtgehämmert über den Schwarzweiß-Rahmen fährt Untergetaucht geradewegs in die Hölle, man erlebt vor allem Unvermeidbares, einen Abwärtssog ohne Rettungsringe. In vielerlei Hinsicht lohnt die Einfahrt in diese Drogengrube, doch irgendwann könnte dabei die Spannung darauf reduziert werden, wann denn wohl die nächste Station nach unten erreicht wird.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/untergetaucht