Studio 54 – Director’s Cut (Blu-ray)

Sex, Drugs and Disco

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Nun ist es endlich so weit: Mark Christophers Film über den legendären New Yorker Nachtclub Studio 54, der im August 1998 in Hollywood seine Premiere feierte und auch danach nur in einer reichlich beschnittenen Produzenten-Fassung in den Kinos startete, hat nachträglich noch seinen Director's Cut erfahren und erscheint nun in Deutschland als Scheibe für das Home Entertainment. Studio 54 – Director's Cut wurde in der Sektion "Panorama" der Berlinale 2015 in Anwesenheit des Regisseurs unter dem Titel 54: The Director's Cut präsentiert und zeigte dabei bei einer Länge von nunmehr 106 Minuten nicht nur deutlich drastischere Darstellungen als die alte Kinoversion, sondern auch eine dichtere Konsistenz sowie einen anderen Ausklang.
Der junge Shane O'Shea (Ryan Phillippe), ein hübscher, blonder Kerl, lebt gegen Ende der 1970er Jahre mit seiner Familie in New Jersey, jobbt an der Tankstelle und ist neben einer gewissen Antriebslosigkeit fasziniert vom aktuellen Disco-Beat, den entsprechenden Stars und der einschlägigen Feierkultur. Als er Wind vom so elitären wie populären Studio 54 in New York City bekommt, kennt er nur noch ein Ziel: Er muss in diese glamouröse Disco hineinkommen, die illustren Gäste und Musiker sehen und hören, mitfeiern und sich am Rausch der dort vermuteten erotischen Exzesse laben. Doch vor den Eintritt sind die Türsteher gestellt, um die Massen an potenziellem Publikum im Zaum zu halten und vor allem streng zu selektieren, denn hier erhält nur Zugang, wer reich oder berühmt oder am besten beides ist oder durch sein hippes, möglichst sexy Erscheinungsbild zu überzeugen weiß. Als Shane mit seinen Freunden dort auftaucht, ist ihnen die Provinzialiät nur allzu leicht anzusehen, und Steve Rubell (Mike Myers) – der Besitzer des Clubs persönlich – sortiert Shane sofort strikt aus: "Nicht mit dem Hemd!"

Auf Grund der anfänglichen und letztlich überwiegend auch der weiteren Figurenzeichnung durch den Schauspieler Ryan Phillippe, der selbst in derb obszönen Szenen seine sanfte Rauschgoldengelhaftigkeit kaum einbüßt, hätte man dem süßen Shane die folgende Reaktion nun wahrlich nicht zugetraut: Er lupft lässig sein Leibchen, stellt seinen normgemeißelten nackten Oberkörper zur Schau und erhält nicht nur Einlass, sondern bald auch eine Anstellung als knackiger Kellner und Barkeeper, was ihn endgültig in die ersehnte frivole Disco-Welt eintauchen lässt. Während seine jüngere Schwester Grace (Heather Matarazzo) von seinem neuen Job begeistert ist, missbilligt sein Vater (Skipp Sudduth) diese Beschäftigung unumwunden, und es dauert nicht lange, bis Shane New Jersey verlässt und bei seinen Club-Kollegen unterkommt, mit denen er sich anfreundet. Besonders mit der aparten Anita (Salma Hayek), die so gern eine professionelle Sängerin wäre, und ihrem Mann Greg (Breckin Meyer), der allerdings Shanes wachsenden Erfolg im 54 schlecht verknusen kann. So avanciert der Junge aus New Jersey, der zunächst nicht einmal weiß, was Chablis ist, selbst zum kleinen Star der Szene, und vom Rauschmittelkonsum bis zu sexuellen Ausschweifungen erobert er sich das Glitzer-Territorium, bis dessen Fassade zu bröckeln beginnt ...

Jenseits der rührenden bis rüden Geschichte des schönen Shane, die auch noch ein herziges Ende findet, bietet Studio 54 – Director’s Cut vor allem ein Schaulaufen so einiger Sterne und Sternchen, die hier die überschäumende Existenzexzessivität jener Epoche des bald darauf erlahmenden ursprünglichen Disco-Stils in seiner extremsten Ausformung abbilden. Wer gut aufpasst, kann unter den VIP-Gästen beispielsweise Cindy Crawford, Sheryl Crow, Art Garfunkel, Peter Bogdanovich und sogar Heidi Klum entdecken. Während Ryan Phillippe damals für seine Verkörperung des naiven Helden, der vermutlich genau so intendiert war, wahrscheinlich zu Recht mit einem Razzie Award als Schlechtester Schauspieler geehrt wurde, lässt Salma Hayeks Auftritt hier erneut vermuten, was sich zuvor bereits in Desperado (1995) und From Dusk Till Dawn (1996) kräftig andeutet und bei Frida vier Jahre später zur Gewissheit wird: dass diese Actrice sich ganz hervorragend entwickelt und zu überragenden Darstellungen fähig ist.

Im Archiv der Berlinale findet sich zu 54: The Director's Cut abschließend folgende treffende Bemerkung: "Die integrale Version ist wuchtiger, düsterer, drogenschwangerer und vor allem schwuler als die damals autorisierte Bearbeitung." Für diejenigen, die noch genauere Vergleiche zwischen der ursprünglich entschärften Version des Films und dem Director's Cut anstellen wollen, ist die Kinofassung als Bonus auf der Blu-ray zu finden, flankiert von Interviews mit Regisseur Mark Christopher, Salma Hayek und Ryan Phillippe, Letzterer sichtbar nachgereift.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/studio-54-director-s-cut-blu-ray