Watership Down - Unten am Fluss

Kaninchen auf der Flucht

Eine Filmkritik von Falk Straub

Watership Down – Unten am Fluss ist längst ein Klassiker des Animationsfilms. Dass dessen Produktion trotz Richard Adams' erfolgreicher Buchvorlage eine schwere Geburt gewesen ist, erläutert Regisseur Martin Rosen im ebenso umfang- wie aufschlussreichen Bonusmaterial der DVD.
Die Entstehungsgeschichten ähneln sich ein wenig. Bevor Richard Adams mit der Odyssee einer Gruppe Kaninchen als Schriftsteller reüssierte, arbeitete er als Beamter für ein britisches Ministerium. Doch zunächst wollte keiner das tierische Abenteuer, das er sich für seine Töchter ausgedacht hatte, publizieren. Für Kinder zu komplex, für Jugendliche nicht von Interesse lauteten die Urteile der Verleger. Sie irrten. Schätzungen zufolge hat sich der Roman bis heute über 50 Millionen mal verkauft. Man sollte also annehmen, dass die Produzenten sich um dessen Verfilmung rissen. Doch weit gefehlt. Im Bonusmaterial der DVD gewährt Regisseur Martin Rosen einen tiefen Einblick in die abenteuerliche Produktion. Wie Adams war auch Rosen ein Debütant. Für Watership Down wechselte der Produzent erstmals auf den Regiestuhl. Ein Studio musste Rosen erst aufbauen. Der künstlerische Leiter wechselte ebenso wie der Komponist. Als der Film schließlich im Kasten war, fand er keinen Verleih. Das Thema schien den meisten für einen Animationsfilm zu heikel.

Das liegt in erster Linie an einer falschen Grundannahme. "Das Tragische am Zeichentrickfilm […] ist, dass die meisten Zeichentrick für ein Genre halten und nicht für ein Medium. Sie denken Zeichentrick steht für Kinderfilme", bringt es Regisseur Guillermo del Toro (Pans Labyrinth, Crimson Peak), der sich in einem Interview auf der DVD als Fan von Watership Down outet, auf den Punkt. Wer niedliche anthropomorphe Kaninchen in einer heilen Welt erwartet, wie er es von Walt Disney gewohnt ist, wähnt sich schnell im falschen Film. Watership Down ist ernster und düsterer, behandelt Themen, die auch Erwachsene ansprechen. Im Mittelpunkt stehen die Brüder Hazel und Fiver. Als Fiver die Zerstörung des Kaninchenbaus vorhersieht, verlässt eine Gruppe gegen alle Widerstände das Gehege. Ihr Ziel sind die titelgebenden Hügel im englischen Hampshire. (Der deutsche Titel "Unten am Fluss" bezieht sich zwar auf eine entscheidende Episode der Geschichte, ist für den Rest der Handlung jedoch irrelevant.) Doch auch hier kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt. Ganz in der Nähe führt der diktatorische Woundwort seinen Kaninchenstamm Efrafra mit eiserner Hand und zieht schließlich gegen Hazels Gruppe in den Krieg.

Mehr als drei Jahrzehnte nach seiner Entstehung ist Watership Down das Alter deutlich anzumerken. Wer den Film lange nicht gesehen hat, gar nur Kindheitserinnerungen damit verbindet, wird sich über die vielen kleinen Fehler in der Animation wundern. Guillermo del Toro weist kritisch darauf hin, Martin Rosen gibt sie freimütig zu. Um mit der Qualität aus dem Hause Disney Schritt zu halten, fehlten schlicht Geld und Know-how. Und doch hat sich der Film abseits jener kleinen Mängel wunderbar gehalten. Denn manch perfekt animiertem, vor 3D-Effekten überbordenden Spektakel hat Watership Down etwas Entscheidendes voraus: eine starke Geschichte voll realistischer Charaktere, denen die deutschen wie die Originalsprecher (u.a. John Hurt, Zero Mostel) das nötige Gewicht verleihen. Die ist manchmal düster, teils (sehr) blutig und sicherlich nicht für jeden Sechsjährigen zu empfehlen, am Ende aber hoffnungsfroh. Wer wie Guillermo del Toro Animation nicht als Genre für Kinder, sondern als Medium begreift, sollte Watership Down unbedingt in seiner Sammlung haben. Dieser Film hat sich seine Kraft bewahrt, die einen auch im hohen Alter noch tief bewegt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/watership-down-unten-am-fluss