Hemlock Grove (Staffel 1)

Genre-Mixtur aus dem Hause Netflix

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Highschool-Vampire und -Werwölfe, juveniler Weltschmerz und rasende Eifersucht in einer US-Kleinstadt ... nein, wir befinden uns nicht in Forks, dem Twilight-Universum – sondern in einem fiktiven Ort in Pennsylvania, der als Schauplatz des Romans Hemlock Grove von Brian McGreevy sowie der gleichnamigen, von McGreevy und Lee Shipman konzipierten Serie dient. Und gewiss, hier twilightet es sehr – doch das ist nicht alles: Das Teenage-Fantasy-Drama wird mit Mystery-, Crime- und Horrorelementen angereichert und kommt partiell als Familien-Soap in Denver-Clan-Manier daher. Wie in dem absurd-überzogenen TV-Klassiker wird gezeigt, wie hässlich es bei den Reichen und Schönen zugehen kann – nur dass die Geheimnisse, Liebschaften und Intrigen in diesem Fall zumeist ins Übernatürliche, Düstere führen und nicht selten äußerst blutige Konsequenzen haben.

Hemlock Grove war eine der ersten Eigenproduktionen des Streaming-Dienstes Netflix: Im April 2013 wurde die erste Staffel mit 13 Episoden in den USA zum Abruf bereitgestellt; in Deutschland erfolgte die Erstveröffentlichung im Dezember 2013 auf Lovefilm. Im Zentrum der Erzählung steht zum einen die in Hemlock Grove eintreffende Roma-Kleinfamilie Rumancek, bestehend aus dem jugendlichen Peter (Landon Liboiron) und seiner Mutter Lynda (Lili Taylor); zum anderen der Godfrey-Clan, zu welchem die Witwe Olivia (Famke Janssen), ihre adoleszenten Kinder Roman (Bill Skarsgård) und Shelley (Nicole Boivin ) sowie ihr Schwager Dr. Norman Godfrey (Dougray Scott) samt Gattin Marie (Laurie Fortier) und Teenager-Tochter Letha (Penelope Mitchell) gehören. Zum weiteren Personal der Serie zählen der Wissenschaftler Dr. Johann Pryce (Joel de la Fuente), der im Biotech-Unternehmen der Godfreys tätig ist, sowie der örtliche Sheriff Tom Sworn (Aaron Douglas) und die junge, schriftstellerisch ambitionierte Schülerin Christina Wendall (Freya Tingley), die den Neuankömmling Peter für einen Werwolf hält.

Dass Christina mit dieser Mutmaßung völlig richtig liegt, ist eine von vielen Story-Komponenten, die Hemlock Grove im Bereich der Schauerfiktion verorten. Ferner erweisen sich etwa Romans Fähigkeiten der Gedankenkontrolle als erste Anzeichen seines vampirischen Wesens – während die Deformationen seiner extrem hochgewachsenen Schwester Shelley offenbar auf die Experimente zurückzuführen sind, die im Godfrey-Institut vonstattengehen. Lethas angebliche Begegnung mit einem Engel (die eine Schwangerschaft zur Folge hat) sowie ein rares Mittel, nach welchem Olivia augenscheinlich süchtig ist, sind zusätzliche Mysterien, die mit abgründigen Andeutungen behandelt werden. Insbesondere die Werwolf- und Vampir-Motive werden reizvoll eingesetzt: Der Untertitel der Serie – Das Monster in dir – lässt bereits durchblicken, dass hier von inneren Kämpfen erzählt wird. Die "Raubtiere", die in Peter und Roman stecken, brechen hervor – wobei Peters Verwandlung wahrlich eine kleine Sensation der Effekte ist. In erster Linie lässt sich das Kreatürliche, das die beiden jungen Männer in sich entdecken, als genrebedingte Übersteigerung eines Coming-of-Age-Prozesses begreifen. Landon Liboiron und Bill Skarsgård verkörpern ihre Rollen ausdrucksstark und bilden ein interessantes Kontrastpaar: Zwar geraten der zerzauste Underdog Peter und der dandyhafte Melancholiker Roman zuweilen in Konflikt miteinander, vor allem entwickelt sich zwischen den beiden jedoch eine Freundschaft, in der es auch darum geht, gemeinsam das Rätsel um die Mordserie zu lösen, die mit der Ankunft der Rumanceks in Hemlock Grove begann. Zum Streitpunkt wird indes die Liebe zwischen Peter und Letha, da Roman ein ausgesprochen enges Verhältnis zu seiner Cousine hat.

Neben dem starken Hauptdarsteller-Duo und den gelungenen Horror-Passagen (für welche nicht zuletzt Eli Roth als ausführender Produzent mitverantwortlich sein dürfte, der überdies die erste Episode in Szene setzte) muss Famke Janssen als positiver Faktor genannt werden. In formidabler Erscheinung und mit galligen Sprüchen treibt sie ihren undurchsichtigen Part in blühende Camp-Gefilde, in denen auch das Denver-Biest Alexis Carrington Colby (Joan Collins) sowie zahlreiche Joan-Crawford- und Bette-Davis-Figuren heimisch sind. Janssens Figur Olivia Godfrey ist das schwarz funkelnde Herz einer Serie, die Fantastik, Kunstblut, Whodunit-Entwirrung, spannungsreiche Beziehungsgeflechte und Extravaganz sehr unterhaltsam zu kombinieren weiß.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/hemlock-grove-staffel-1