Die Filme von Percy Adlon

Eine opulente Werkschau aus Fiktion und Dokumentation

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Betrachtet man das Werk des deutschen Filmemachers Percy Adlon, der seit gut einem Vierteljahrhundert in Kalifornien lebt, so fällt zuvorderst sein starker Bezug zu seiner bayerischen Herkunft auf. In seinem wohl berühmtesten Spielfilm Out of Rosenheim, im englischen Sprachraum und international auch als Bagdad Cafe bekannt, erreicht diese Verbundenheit zu Stoffen mit diesem lokalkulturellen Hintergrund ihren charmanten Höhepunkt, umgeben von zahlreichen weiteren Werken mit dichter Präsenz bayerischer Aspekte und Themen unterschiedlichster Ausprägung.
Mit dem Dokumentarfilm In der glanzvollen Welt des Hotel Adlon von 1996 hat sich der mittlerweile 80jährige Regisseur auch filmisch mit der eigenen illustren Familiengeschichte beschäftigt, und familiär gestaltet sich seine Arbeit auch insgesamt. Bereits 1978 gründete er gemeinsam mit seiner Frau Eleonore Adlon die pelemele Film & Stage GmbH, und seitdem entstanden seine Filme regelmäßig in enger Kooperation mit und produziert von ihr, nunmehr im Rahmen ihrer US-amerikanischen Produktionsfirma Leora Films. Sohn Felix Adlon ist ebenfalls verstärkt mit von der Partie – der 1967 geborene Schauspieler führte gemeinsam mit seinem Vater Regie bei dessen letztem Film Mahler auf der Couch (2010), und auch das Drehbuch dazu und zu Filmen wie Salmonberries (1991) entstand innerhalb dieser Zweigenerationenzusammenarbeit.

Dass Percy Adlon sich neben seinen fiktiven Stoffen auch tüchtig auf dokumentatischem Terrain betätigt hat, davon zeugt die umfangreiche Edition Die Filme von Percy Adlon, die nun bei Arthaus erscheint. Auf zehn DVDs werden hier insgesamt zwanzig Filme aus den Jahren 1973-2010 präsentiert, jeweils ein Spielfilm in Nachbarschaft mit einem Dokumentarfilm auf einer Scheibe. In diesem Rahmen erleben auch die bisher nur marginal verbreiteten Dokumentarfilme Percy Adlons ihre Home-Entertainment-Premiere und repräsentieren damit die Fülle eines gewaltigen dokumentarischen Werkes von über 150 Filmen. Das Booklet zu dieser ansprechenden Edition stammt vom Filmemacher selbst, der durch diese bewusst so selektierte, eigenwillige Kombination von Dokumentation und Fiktion auf einer DVD ganz besondere, persönliche Sinneinheiten vorstellt: "Vorspeise und Hauptgericht" als geistige Mahlzeit aus dem vielfältigen Filmuniversum des Paul Rudolf Parsifal "Percy" Adlon.

Sein Spielfilmdebüt Céleste, ein Porträt der Haushälterin des französischen Schriftstellers Marcel Proust mit Eva Mattes in der Hauptrolle, erscheint in Einheit mit dem Dokumentarfilm Im Haus des Affenmalers über den Künstler und philosophischen Forscher Gabriel Max, wobei beide Filme aus dem Jahre 1980 stammen. Das Drama Fünf letzte Tage (1982) über die finale Lebenszeit der von den Nationalsozialisten ermordeten deutschen Widerstandskämpferin Sophie Scholl befindet sich auf einer DVD mit dem Dokumentarfilm Der Tänzer Heinz Bosl (1976), der ebenso wie die Studentin bereits in jungen Jahren verstarb. Thematisch dicht beieinander liegen die beiden Filme Die Schaukel (1983) nach dem autobiographisch geprägten Roman von Annette Kolb und das Schriftstellerinnenporträt Fräulein Annette Kolb (1977), während Marianne Sägebrecht in der putzigen Komödie Zuckerbaby (1985) mit der filmischen Skizze Die Bilek (1977) über die reizende Münchner Zeichnerin und Autorin Franziska Bilek vereint wird. Out of Rosenheim (1987) als unvergesslichem, offiziellem Meisterstück Percy Adlons wird der Dokumentarfilm Tomi Ungerers Landleben (1973) beigesellt, die den weltbekannten französischen Illustrator und Schriftsteller gemeinsam mit seiner Frau Yvonne auf seiner Farm in Irland porträtiert.

Die kritische Kracher-Komödie Rosalie Goes Shopping (1989), erneut mit einer geradezu genialen Marianne Sägebrecht, wird zusammen mit Tacámbaro (1975) gezeigt, der den extremen Komponisten und Pianisten Gerhart Münch und seine Frau Vera Lawson in der mexikanischen Provinz besucht. Das seltsam intensive Drama Salmonberries (1991) mit k. d. lang und Rosel Zech als beeindruckend aufspielendes Frauenpaar teilt sich eine DVD mit Koenigs Kugel (2001) über den Bildhauer Fritz Koenig, dessen New Yorker Skulptur The Sphere mittlerweile als Mahnmal der so genannten 9/11-Katastrophe fungiert. Seine schrille Satire Younger & Younger (1993) mit Donald Sutherland als unverbesserlichem Schwerenöter wird von Vati in Port-au-Prince (1974) flankiert, der ein ebensolches tatsächliches Macho-Exemplar vorstellt, das von Hamburg nach Haiti verschlagen wurde. Gemeinsam auf einer Scheibe untergebracht sind auch Hawaiian Gardens (2001) mit Valeria Hernandez und André Eisermann als Culture-Clash-Paar sowie Fluchtwege eines friedliebenden Mannes (1982) über Exilstationen des Schriftstellers Leonhard Frank (Links wo das Herz ist). Als letzte Paarung von Spiel- und Dokumentarfilm treffen Mahler auf der Couch (2010) und FilmMusikMachen aufeinander, im Geiste der Musik vereint.

Auf diese Weise präsentiert die Edition Die Filme von Percy Adlon eine üppige Werkschau mit so mancher recht unbekannten Perle aus dem dokumentarischen Segment, welches die Vorliebe des Filmemachers für kuriose Charaktere jenseits des Mainstreams ebenso abbildet wie seine fiktiven Stoffe. Die bemerkenswerte Präsenz außergewöhnlicher, eigensinniger und starker Frauenfiguren, die sanfte Melancholie seiner Geschichten sowie sein sensibler humoristischer Sinn sind signifikant für das Werk Percy Adlons. Dessen hartnäckiger, optimistischer Humanismus verwandelt oftmals scheinbare Niederlagen auf charmante Art in kleine, doch großartige Siege von vermeintlichen Verlierern. Wärme, Trost und Ermutigung sowie ein herber Hauch von der Aberwitzigkeit der Welt und ihrer Kreaturen entströmen diesen Filmen, deren stimmungsvolle Substanz auch zur wiederholten Sichtung einlädt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-filme-von-percy-adlon