Die Stimme des Mondes

Mondsüchtig

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die Stimme des Mondes entführt Federico Fellinis Publikum wie so oft an die Grenze zwischen Traum und Wachzustand. Der 19. und letzte abendfüllende Spielfilm des 1993 verstorbenen Regisseurs liegt in Deutschland nun erstmals auf DVD und Blu-ray vor.

Ivo Salvini (Roberto Benigni), ein saumseliger Suchender, der des Nachts dem Ruf des Mondes folgt, und Gonella (Paolo Villagio), ein paranoider Präfekt, der einer Verschwörung auf der Spur ist – das sind die beiden Fixpunkte in Federico Fellinis letztem Film, der auf Motiven von Ermanno Cavazzonis Roman Der Gesang der Mondköpfe basiert. Dazwischen tummeln sich skurrile Figuren und zwei Brüder, denen es gelingt, den Erdtrabanten vom Himmel zu holen.

Wie so häufig seit Achteinhalb (1963), als Fellini dem Neorealismus endgültig den Rücken kehrte und sich seinen cineastischen Phantasmagorien zuwandte, verschwimmt auch in Die Stimme des Mondes die Grenze zwischen Realität und Fiktion, zwischen Träumen und Wachen. Auf seinen Streifzügen durch die Nacht schweift Ivo in seine eigenen (Kindheits-)Erinnerungen und in die Erinnerungen seiner Mitmenschen ab. Ein stiller Beobachter, ein gutmütiger Narr, der nicht über seine Umwelt urteilt und über den Fellini kein Urteil fällt.

Die Stimme des Mondes ist gleichsam ein Erinnern des Regisseurs an sein eigenes Werk. Wenn die Männer der nicht näher benannten Kleinstadt zu Beginn der Erzählung im Rudel um ein Zimmerfenster drängen, um den besten Blick auf den Busen einer drallen Dame zu erhaschen, dann erinnert diese Sequenz an eine nahezu identische in Armacord (1973). Und wenn der Mond schließlich vom Himmel geholt und zum Fernsehereignis wird, beschwört Fellinis Inszenierung unweigerlich den Medienrummel um die Marienerscheinung aus Das süße Leben (1960) herauf.

Dabei stellt Die Stimme des Mondes die Künstlichkeit seiner Sets stets offen zur Schau. Auf einen naturalistischen Eindruck kam es Fellini schon lange nicht mehr an. Die Wucht dieser artifiziellen (filmischen) Räume, wie sie etwa Fellinis Casanova (1976) oder selbst Ginger und Fred (1986) auf der großen Leinwand noch voll entfalten konnten, geht Fellinis letztem Werk jedoch größtenteils ab. Viele Sequenzen, wie etwa die Episode in einer Großraumdisko, zu der Michael Jackson aus den Lautsprechern dröhnt, haben in den vergangenen zwanzig Jahren doch arg gelitten.

Das macht Die Stimme des Mondes in erster Linie zu einer Fundgrube denn zu einem rundum gelungenen Film. Filmfans und -historiker können hineingreifen und sich überraschen lassen, welche Schlüsse sie daraus ziehen. Mehr als im dünnen Bonusmaterial, das lediglich aus einem Booklet und einer Fotogalerie mit Werbematerial besteht, finden sie dort allemal.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-stimme-des-mondes