Verjährung

Ein Thriller-Kleinod aus Südkorea

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Nach einem gewissen Zeitraum verjähren Straftaten – je nach Schwere der Straftat kann diese Frist variieren. Dann, so geht man aus, verblassen die Erinnerungen an die Tatumstände so sehr, dass eine Ergreifung des Täters unmöglich erscheint.
Im Falle von Ha-kyong (Eom Jeong-hwa), deren Tochter entführt wurde und trotz erfolgter Lösegeldübergabe zu Tode kam, endet die 15-jährige Frist in einer Woche und so steht Kommissar Chong-ho (Kim Sang-kyung, sonst eher aus den Filmen Hong Sang-soos bekannt) vor einer schweren Aufgabe: Er muss der immer noch traumatisierten Mutter klar machen, dass die Chancen, den Tätern jemals zu fassen, demnächst unter Null sinken. Natürlich reagiert diese entsetzt, hilflos und wütend und erreicht immerhin, dass Chong-ho ein letztes Mal die Akte studiert und den Tatort noch einmal aufsucht – wo er prompt eine Blume entdeckt. Und die, so ist er sich ganz sicher, kann eigentlich nur der Täter dort abgelegt haben. Prompt packt ihn wieder das alte Jagdfieber und mit Hilfe eines Kollegen findet er schließlich einen entscheidenden Hinweis, der beinahe zur Ergreifung des Täters führt. Doch der kann im buchstäblich letzten Moment entkommen.

Als dann ein ganz ähnlicher Entführungsfall die Wunden von damals wieder aufreißt, glaubt Chong-ho, dass nun noch einmal eine Chance gekommen ist, den Täter von damals endgültig dingfest zu machen. Und auch Ha-kyong ist voller Hoffnung, dass der Verantwortliche für den Tod ihrer Tochter doch noch überführt werden kann.

Im Original trägt Jeong Geun-Seops raffiniert gestrickter Thriller den Titel Mong-ta-joo, was man ungefähr mit Montage übersetzten könnte. Und tatsächlich ist Verjährung vor allem das – eine meisterliche Übung im raffinierten Arrangement verschiedener Genre-Bausteine, die der Film geschickt miteinander kombiniert und auf verschlungene, aber niemals verwirrende Weise montiert. Weil zudem die beiden Hauptcharaktere überzeugend und auch emotional bewegend agieren, ist der erstaunliche Debütfilm über die schwierige Suche nach dem Schuldigen nicht nur äußerst unterhaltsam, sondern auch bei aller Kunstfertigkeit dicht dran an den Emotionen der verzweifelten Mutter.

Weil der Film zudem nach dem Ablauf der Verjährungsfrist sich in zwei parallel laufende Erzählstränge aufgliedert, die die Ermittlungen des Polizisten und der traumatisierten Frau schildern, entsteht so ein multiperspektivischer Blick, der gleich verschiedene Sichtweisen und emotionale Verletzungen thematisiert und der zudem verblüffend schlüssig gebaut ist.

In Südkorea, wo die Verjährungsfristen seit einigen Jahren in der öffentlichen Diskussion sind, entwickelte sich der Film zu einem regelrechten Blockbuster. Nun ist der Film auch ein Deutschland erschienen, wo man wieder einmal feststellen muss, dass Thriller aus Südkorea derzeit mit zum Besten gehören, was das Genre zu bieten hat.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/verjaehrung