Herr im Haus bin ich

Eine heitere feministische Revolution

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Es sind keineswegs Komödien, die charakteristisch für das Werk des britischen Filmemachers David Lean (1908-1991) sind, der zuvorderst für seine erzählerisch dichten Epen wie Die Brücke am Kwai (1957), Lawrence von Arabien (1962) und Doktor Schiwago (1965) oder viel später Reise nach Indien (1984) bekannt ist. Doch mit Herr im Haus bin ich von 1954 nach dem Theaterstück von Harold Brighouse hat der für seine extrem penible und perfektionistische Arbeit im Ruf stehende Regisseur gleichzeitig einen seiner raren komischen Stoffe wie auch seinen letzten Schwarzweißfilm inszeniert.
Der Witwer Henry Horatio Hobson (Charles Laughton) führt im britischen Manchester ein strenges Regiment über seine drei erwachsenen Töchter Maggie (Brenda de Banzie), Vicky (Prunella Scales) und Alice (Daphne Anderson), die sowohl für ihn den Haushalt führen als auch in seinem Schuhgeschäft arbeiten, allerdings ohne angemessene Entlohnung. Eines Tages fasst der geizige Hobson den Entschluss, dass die beiden jüngeren Frauen doch nunmehr heiraten könnten, während Maggie – bereits jenseits der dreißig – sich weiterhin um ihn und den Laden kümmern solle. Auch wenn er selbst nur allzu gern gemeinsam mit einem Tross ebenfalls älterer Herren in ihrem Stammlokal recht tief ins Glas schaut, wünscht er sich für seine Töchter unbedingt abstinente Heiratskandidaten, die er persönlich aufzuspüren und auszuwählen gedenkt und die vor allem dazu bereit sein sollen, auf die übliche Mitgift zu verzichten.

Von energischem Charakter, aber bisher ihrem Vater gegenüber recht duldsam und gefügig, ist es die tatkräftige, praktisch veranlagte und kluge Maggie als älteste der Schwestern, die sich nicht nur entschieden gegen die Pläne Hobsons sträubt, sondern ganz gezielt ihre eigenen formuliert und verfolgt. Ihre erste Maßnahme auf dem Weg, ihr bisher wenig erquickliches Dasein fortan selbst zu lenken, besteht in dem Vorhaben, doch noch zu heiraten, auch wenn ihr Vater sie angesichts der Aussichtslosigkeit einer "alten Jungfer", noch einen Mann zu finden, hämisch verspottet. Mit der ihr eigenen Zielstrebigkeit eröffnet Maggie dem schlichten, schüchternen, doch talentierten Schuhmacher Willie Mossop (John Mills), der in der Kellerwerkstatt von Hobsons Geschäft arbeitet, dass sie ihn zu ehelichen beabsichtige, ungeachtet seiner Proteste, dass er sie nicht liebe und auch bereits der Tochter seiner Zimmerwirtin versprochen sei. Diese Verlobung löst Maggie so gnadenlos wie rasch auf, übernimmt die Herrschaft über den überrumpelten Willie und beginnt, ihn ganz in ihrem Sinne zu erziehen und zu bilden, denn gemeinsam mit ihrem Bräutigam will sie nun mit einem eigenen Laden ihrem Vater Konkurrenz machen, der bald einsehen muss, dass er nicht mehr der Herr im Haus ist, sondern dass Maggie nun das Zepter über die Familie übernommen hat...

Seinerzeit bei der Berlinale mit dem "Goldenen Bären" ausgezeichnet sowie im Jahr darauf als "Bester britischer Film" mit einem BAFTA prämiert, skizziert Herr im Haus bin ich mit pfiffigem Charme und ansteigender Raffinesse eine schräge Familie im Großbritannien des auslaufenden 19. Jahrhunderts, innerhalb welcher sich eine amüsant inszenierte feministische Revolution ereignet. Die sanfte, verschmitzte Komik der Geschichte liegt zuvorderst in den schrulligen Männercharakteren verortet, mit satter Übertreibung und slapstickartigen Avancen engagiert von Charles Laughton und John Mills verkörpert, die beide im Verlauf ihrer langjährigen Karrieren mit einem Academy Award ausgezeichnet wurden.

Als hintergründige, in Ansätzen durchaus sozialkritische Parabel in Sachen Emanzipation und Selbstverwirklichung präsentiert die launige Komödie letztlich ein mildes, versöhnliches Ende mit der satten, vergnüglichen Moral, dass Männer als unbeholfene Wesen mit geringer Reflexionsfähigkeit eben oftmals zu ihrem Glück gezwungen werden müssen. Und zwar von Frauen, die dann bereit sind, es ihnen großzügig zu erhalten und mit ihnen zu teilen, ganz im Sinne aufbrechender Geschlechterrollen, die insgeheim bereits lange gewirkt haben und nun mit frischer Frechheit hervorpreschen – für die 1950er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine moderne Auffassung als Momentaufnahme einer Entwicklung, die im Jahrzehnt darauf noch tüchtig eskaliert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/herr-im-haus-bin-ich